Essen. Mit vier Premieren und 15 Wiederaufnahmen beendet Stefan Soltesz seine Intendanz am Aalto-Theater und seine Zeit als Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker. Er wundert sich allerdings, dass sein Nachfolger am Dirigentenpult immer noch nicht feststeht.

Verdi schlägt Wagner im Aalto-Theater - zumindest in der kommenden Saison. Denn im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag der beiden Operntitanen des 19. Jahrhunderts hat Essens scheidender Generalmusikdirektor und gleichzeitig Intendant der Aalto-Oper die Wagner-Dosis bewusst reduziert.

„Wir haben den kompletten Wagner gespielt, von Rienzi bis zum Ring und gerade die letzten beide Jahre waren sehr Wagner-lastig, jetzt müssen wir dem Publikum auch etwas anderes bieten“, so Stefan Soltesz. Nur der „Parsifal“ fehlte ihm noch. Mit der Inszenierung dieses kultgesättigten „Bühnenweihfestspiels“ gibt zugleich Joachim Schloemer sein Regiedebüt am Aalto-Theater. Als Kundry ist die bekannte Mezzosopranistin Lioba Braun angekündigt. Daneben kehrt nur noch Barrie Koskys vielgepriesene Inszenierung von „Tristan und Isolde“ (erneut mit Evelyn Herlitzius) auf den Spielplan zurück, mit dem Soltesz sich zugleich von Essen verabschiedet.

Ein wenig wagnert es allerdings auch in Debussys „Pelléas und Melisande“, wenngleich auch auf subtil französische Art. Für diese erste Saisonpremiere im Oktober holt Soltesz Regie-Altmeister Nikolaus Lehnhoff erstmals ans Aalto-Theater und bietet mit Doris Soffel, Wolfgang Schöne und Alexander Marco-Buhrmester auch eine prominente Sängerriege auf.

Ob es dagegen bei nur vier Premieren wieder eine Strauss’sche „Ariadne auf Naxos“ sein musste, mag man anzweifeln. Hatte Soltesz diese Oper doch schon vor einigen Jahren auf dem Spielplan. Jetzt inszneniert Michael Sturminger (der bereits die „Csardasfürstin“ und „Eugen Onegin“ fürs Aalto schuf) diesen Zwitter aus Komödie und Tragödie.

Dagegen ist die Neuinszenierung von Verdis Frühwerk „Die Räuber“ („I Masnadieri“) nach Schillers gleichnamigem Drama nicht nur erstmals am Aalto zu erleben, sondern als eher selten aufgeführtes Werk zugleich ein Beitrag zum kommenden Verdi-Jahr. Für die Regie zeichnet wie bei so vielen anderen Verdi-Produktionen Hausregisseur Dietrich Hilsdorf verantwortlich. Die einzige Neuproduktion übrigens, bei der nicht Soltesz selbst sondern Srboljub Dinic die musikalische Leitung übernimmt. Der Serbe, der übrigens als möglicher Nachfolger Soltesz’ galt, gab dieses Saison einen beachteten Einstand mit Tschaikowskis „Eugen Onegin“.

Das Aalto-Ballett-Theater wird unter Intendant Ben van Cauwenbergh in der kommenden Saison gleich drei Neuproduktionen herausbringen. Los geht es am 3. November mit Heinz Spoerlis „Ein Sommernachtstraum“ zu Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Steve Reich und Philipp Glass. Es spielen die Philharmoniker unter Volker Perplies.

Es folgt die Uraufführung von „Othello“ in der Choreografie der Aalto-Tänzer Denis Untila und Michelle Yamamoto (9. Februar). Beide hatten bereits mit „Alice“ in „PTHA II“ bei den jungen Choreografen im Grillo-Theater erfolgreich zusammen gearbeitet.

Für die dritte Premiere „Deca Dance“ (27. April) holt Ben van Cauwenbergh den Israeli Ohad Naharin, der u.a. in New York bei Martha Graham studierte und seit 1990 die innovative Batsheva Dance Company leitet, ans Aalto.

Außerdem gelang es, die Tänzerstellen um eine Position auf nunmehr 29 aufzustocken. Dazu kommen zwei Praktikanten. Geplant sei, so Cauwenbergh, die Kompanie zur übernächsten Spielzeit auf 30 Stellen zu erweitern.

Soltesz kritisiert Kulturpolitik 

Cool gab er sich, entspannt wirkte er und von Abschied kein Wort. Doch am Rande seiner letzten Programm-Pressekonferenz im Aalto-Thetaer übte Stefan Soltesz auch Kritik an der Kulturpolitik.

Der Maestro weiß ja selbst, dass mit seinem Abschied am 21. Juli 2013 eine Ära endet. Länger als er wirkte nur Gustav König als Generalmusikdirektor (GMD) in der Stadt (1943 - 1975). In zuvor nie gekannter Machtfülle steuerte Soltesz in Doppelfunktion als Opernintendant und GMD die Musik- und Bühnengeschicke, bei den Philharmonikern und am Aalto-Theater. Diese Doppelfunktion ist künftig passé.

Dass sein Nachfolger am Dirigentenpult immer noch nicht feststehe, verwundert Soltesz schon. Sein Nachfolger als Intendant (Hein Mulders) müsse mit diesem doch verbindlich für Oper und Philharmoniker planen können. Er selbst habe zwischen seiner Ernennung und dem Start 1997 mit drei Jahren viel Vorlauf gehabt.

Irritiert sei er auch, dass es bald keinen Technischen Direktor mehr gibt, der für alle Häuser und die zentralen Werkstätten zuständig ist. Für die nächste Saison werde es vielleicht gehen, dann müsse sein Nachfolger damit umgehen. Nachvollziehen kann der Theatermann Soltesz diese Entscheidung jedoch überhaupt nicht.

Positiv beurteilt Soltesz die Rahmenbedigungen für seine letzte Saison. Vier Premieren, 15 Wiederaufnahmen, es geben zwei Regie-Stars ihr Aalto-Debüt. Gespart habe man bestimmt nicht, weder bei Regisseuren, noch bei Bühnenbildnern. „Sparen mussten wir vorher schon, Ausstattungs- und Gästeetat, weniger Personal. Aber das müssen ja alle in der Stadt, da sind wir keine Ausnahme“, sagt Soltesz. Das klingt sachlich, nach Macher, der bis zuletzt die Fäden in der Hand hält.

Wird man nicht wehmütig, wenn man zum letzten Mal die Saison des Kulturflaggschiffs ankündigt, das man selbst auf preisgekrönten Kurs gesteuert hat? Da antwortet der Ungar mit dem wienerischen Zungenschlag nur knapp: „Ich hatte zwei Jahre Zeit, mich darauf vorzubereiten.“

Die vollständige Saison von Oper und Ballett gibt es unter www.theater-essen.deOper