Essen. . Beim Tag der offenen Tür im Haus der Geschichte schauten viele Bürger hinter die Kulissen des Archivs - und einige forschten nach Vorfahren.
Es war ein harter Kampf, bis das Haus der Essener Geschichte endlich Räume bekam, die man als angemessen bezeichnen kann. Und es war höchste Zeit, diese nun auch mal einem größeren Publikum zu präsentieren. Beim Tag der offenen Tür in der früheren Luisenschule waren gestern kaum eine Stunde nach Eröffnung mehr als 250 Besucher im Haus, um sich einer der vielen Führungen anzuschließen, Filme zu sehen oder selbstständig durch die wegen Personalmangel nur selten geöffnete Dauerausstellung zur Essener Geschichte zu streifen. „Wir sind sehr zufrieden“, bilanzierte Leiter Klaus Wisotzky schon am Mittag.
Haus der Essener Geschichte - das ist zunächst einmal das Stadtarchiv und damit eine Pflichtaufgabe. Schon aus rechtlichen Gründen braucht jede Stadt ein Gedächtnis. Rund 16,5 Kilometer Regale fasst der prägnante neue Bau mit der rostenden Stahl-Fassade, elf sind nun belegt.
Mal sehen, was noch kommt
„Für die nächsten 20 bis 30 Jahre reicht die Reserve“, berichtet Wisotzky. Was danach kommt, wird man sehen. Das älteste städtische Schrift-Dokument im konstant kühl temperierten Magazin-Bau ist auf Pergament und stammt aus dem Jahr 1272 - ein Streit um ein Grundstück in Schonnebeck, unterzeichnet haben alle zwölf damaligen Ratsherren.
Erstes Stahlbuch aufbewahrt
Auch interessant
Prachtvoll ist die große Urkunde, mit der Kaiser Karl IV im 14. Jahrhundert der Stadt ihre Eigenständigkeit gegenüber der Landesherrin, der Äbtissin des Stifts Essen bestätigt. „Schade nur, dass er dem Stift genau das Gegenteil bestätigte“, witzelt Wisotzky, „aber Hauptsache beide hatten bezahlt“. Auch das erste „Stahlbuch“ wird im Archiv aufbewahrt. Es wurde 1935 anlässlich der Hochzeit des NS-Gauleiters Josef Terboven begründet, die erste Unterschrift ist die von Hitler, die zweite von Hermann Göring. Seit 1952 gilt ein neues Stahlbuch, weil man keinem Gast der Stadt diese Gesellschaft zumuten konnte und wollte.
Inzwischen kommen auch jüngere Leute
Das Herz des Archivs sind die Akten, die das Handeln von Rat und Verwaltung und damit Jahrhunderte Stadtgeschichte dokumentieren. Was hier relevant ist und was nicht, ist oft erst später klar, weshalb es gerne heißt, die vornehmste, aber auch schwierigste Aufgabe des Archivars sei im Grunde das Wegwerfen. Nicht minder wichtig sind die Familienstandsunterlagen, die für juristische Klärungen, aber auch die Familienforschung unersetzlich sind. Gerade letzteres boomt. „Früher saßen im Lesesaal oft nur einige Rentner, inzwischen kommen mehr Leute und auch jüngere“, sagt Archiv-Mitarbeiterin Jutta Vonrüden-Ferner. Nicht selten sind auch Nachfahren von Auswanderern nach Übersee oder von emigrierten jüdischen Essenern zu Gast.
Geburten bis 1901 sind frei zugänglich
Frei zugänglich sind Geburten bis 1901, Eheschließungen bis 1931 und Sterbefälle bis 1981 - für alles danach müssen Gründe vorliegen, die dem Datenschutz entsprechen. Und wer Daten vor dem 1. Oktober 1874 braucht - erst zu diesem Stichtag war der preußische Staat zuständig - , muss in den Gemeindearchiven der Kirchen recherchieren oder zum zentralen Personenstandsarchiv nach Brühl fahren.
Die Suche selbst nach einfachen Daten erfordert einiges historische Grundwissen. „Viele sagen Essen und meinen das heutige Stadtgebiet, aber früher gab es bis zu 23 Standesamtsbezirke“, sagt Vonrüden-Ferner. Im alten Landkreis Essen hatten viele der heutigen Stadtteile eigene Ämter und damit auch eigene Namensbücher. Die Archivmitarbeiter helfen, solche Klippen zu umschiffen. Wer allerdings aus Zeitgründen oder weil die Entfernung zu groß ist suchen lässt, muss dafür bezahlen: 18 Euro pro angefangene halbe Stunde.
Geschichte hautnah