Gesperrte A40 - die Vergleichsfahrt mit Bus und Auto
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Essen. . Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht: Unsere Mission: die Strecke zwischen dem Krayer Rathaus und dem Frohnhauser Markt. Unsere Vehikel: Pkw und Bus. Die Gretchenfrage: Wer ist mit gesperrter A40 und anzunehmendem Verkehrschaos schneller am Ziel?
Die Vene des Ruhrgebiets und dieser Stadt, sie muss sich drei Monate lang einem Aderlass unterziehen. Das schmerzt vor allem die Pendler, die mit der A40 seit ihrem Bau Mitte der 50er-Jahre eine innige Hass-Liebe pflegen.
Ohne sie geht’s nichts, mit ihr aber irgendwie auch nicht. Doch ist das wirklich so? Wir haben die Probe aufs Exempel gewagt. Unsere Mission: die Strecke zwischen dem Krayer Rathaus und dem Frohnhauser Markt. Unsere Vehikel: Pkw und Bus. Die Gretchenfrage: Wer ist mit gesperrter A40 und anzunehmendem Verkehrschaos schneller am Ziel?
Für Vergleichswerte haben wir uns bereits in der vergangenen Woche am Montagnachmittag auf den weg gemacht. Trotz Feierabendzeit ist die Bilanz im Auto eine überraschend gute: 15 Minuten und 20 Sekunden dauerte es, die rund zehn Kilometer lange Strecke zu bewältigen. Begünstigend ist die ungewöhnlich leere A40 - auf der an diesem Nachmittag sogar Tempo 100 erlaubt ist. Als das Auto um 16.40 Uhr am Ziel ankommt, ist der Kollege im Bus gerade mal am Berliner Platz.
Beim Start am Bahnhof Kray-Nord ist der Bus der Linie 147 Richtung Haarzopf noch klar im Vorteil und rollt auf der eigenen Busspur am Stau vorbei. An der Krayer Platte biegt der Bus auf die Spurbusstrecke der A 40 ab, vorbei an Warnschildern für die anstehende Sperrung. Am Wasserturm geht es wieder aufs normale Straßennetz, über Hollestraße und Schützenbahn, Berliner Platz, durch die Weststadt und dann die Frohnhauser Straße hoch. Hier steht der Bus im Dauer-Stau, lädt sich zwischen Beitz-Boulevard und Alfred-Krupp-Schule zehn Minuten Verspätung auf die Uhr. Wie soll das hier erst werden, wenn die A 40 dicht ist?
Mit dem Auto - Ohne A40 die Stadt entdecken
Im CD-Fach liegen die Kings of Leon, etwas Fahrtwind verschafft angenehmen Durchzug im kleinen Citroen C1. Die Voraussetzungen für eine entspannte Fahrt könnten kaum besser sein. Wenn, ja wenn da nicht dieses Phantom der gesperrten A40 von ganz allein Stress auslösen würde. Völlig zu Unrecht, wie wir nach unserer Testfahrt vom Krayer Rathaus zum Frohnhauser Markt konstatieren.
Während der Kollege noch auf den Bus wartet, sind wir bereits auf der Autobahn. So leer war der Ruhrschnellweg an einem Montagnachmittag wohl lange nicht mehr. Urlaubszeit und die permanent über den Äther gesendeten Verkehrsmeldungen halten die motorisierten Mitmenschen fern wie Weihwasser den Teufel, könnte man meinen.
Entsprechend schnell werden wir automatisch auf die A52 gelotst und nehmen die erste Abfahrt Richtung Zentrum. Die Rotphasen sind etwas länger als üblich, darüber hinaus ist selbst auf der Ruhrallee von Verkehrschaos keine Spur. Gut, dass wir Chantal dabei haben. Seine nervtötende, monotone Frauenstimme hat meinem Navigationsgerät seinen Namen gegeben. Doch es weiß genau, wie wir nach Frohnhausen kommen - auf die Umleitungsschilder mit den roten Punkten mag ich mich nämlich nicht verlassen. Von der Kronprinzenstraße führt uns der Weg weiter auf die Witteringstraße. Wir kommen am Museum Folkwang und am Gemarkenplatz vorbei. Schließlich säumt ein hübscher kleiner Park unseren Weg, für den selbst Google Maps noch keinen Namen gefunden hat. „Durch die Umleitung lernt man Essen auch mal kennen. Hier sind Ecken, die habe ich noch nie gesehen“, sagt der Fotograf staunend. Recht hat er.
Wir passieren die A40 - freilich obenrum, hinweg über die Leipziger Straße. Ein flüchtiger Blick aus dem Fenster verrät, dass auch einige Meter unter uns von Hektik, Stress und Hupkonzerten keine Spur ist - weder in Richtung Dortmund noch in Richtung Duisburg. Wenige Minuten später säuselt Chantal „Sie haben Ihr Ziel erreicht“. Die Fahrt dauerte exakt 24 Minuten und 15 Sekunden, zeigt die Stoppuhr an. Das sind gut zehn Minuten länger als bei unserer Referenzfahrt vor einer Woche als wir nur an tristem Lärmschutzwand-Grau vorbeifuhren. Auf dem Kilometerzähler macht sich die Umleitung kaum bemerkbar. Als wir den Kollegen anrufen, vertröstet er uns. Etwa 20 Minuten brauche der Bus noch, sagt er. Zeit für einen Kaffee - eine gesperrte Autobahn kann so entspannt sein.
So entstand die A 40
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Mit dem Bus: 10 Minuten Verspätung, so oder so
Die Spurbusse etwa auf der Linie 147 von Kray nach Haarzopf genießen derzeit ein Alleinstellungsmerkmal. Sie rollen auch dort noch über die A 40 in Richtung Westen, wo alle anderen Fahrzeuge schon abgeleitet worden sind und nur noch die Bauwagen unterwegs sind. Aber bringt das auch einen messbaren Mobilitätsvorteil? Die Testfahrt ergibt: Nein. Am Montagnachmittag vor der Sperrung hatte der Bus bis Frohnhauser Platz 10 Minuten Verspätung, am Montagnachmittag nach der Sperrung 9 Minuten.
Beim Einsteigen am Krayer Markt ist die Welt noch in Ordnung. Der Bus rollt auf einer eigenen Spur, schwenkt auf der Krayer Platte in die Bus-Spur in der Mitte der Autobahn. Während sich dort der Verkehr immer weiter bis auf eine Spur zusammen drängt, um am Dreieck Essen-Ost auf die A 52 umzuschwenken, rollt der Bus unbeirrt geradeaus. Diesen Vorteil bewirbt die Evag an jeder Haltestelle: „Fahr Bus und Bahn!“. Allerdings: Wer das liest, tut das bereits.
Am Wasserturm ist die freie Fahrt über die leere Bahn zu Ende: Der Bus schwenkt ein auf die Steeler Straße. Und schon wird’s zäh. Lange wartet der Fahrer auf das Signal zur Weiterfahrt. Hollestraße, Rathaus, Rheinischer Platz, Berliner Platz: Diese Schleife dauert. Nicht immer lassen die Autofahrer einfädeln.
„Wartet mal ab, bis die Ferien vorbei sind!“
Durch die Weststadt wechselt der Bus von der Altendorfer auf die Frohnhauser Straße. Und auf der hat sich jetzt erstmals so etwas wie ein Stau entwickelt im Ost-West-Verkehr zwischen Hans-Böckler- und Segerothstraße. Im Bus beginnen die Fahrgäste eine Debatte darüber, wie schlimm es noch werden wird wegen der A 40-Sperrung. Momentan sei ja von Stau kaum eine Spur, außer eben gerade jetzt. Ein Fahrgast prophezeit: „Wartet mal ab, bis die Ferien vorbei sind!“
Wo die Pendler in NRW herkommen - und wo sie hinwollen
Weite Arbeitswege
8,3 Millionen Erwerbstätige in NRW pendeln jeden Tag über die Grenzen ihres Wohnortes hinweg zur Arbeit.
Weite Arbeitswege
Fast jeder zweite Arbeitnehmer in NRW lebt mehr als 20 Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt.
Die meisten fahren Auto
Sechs von zehn Arbeitswegen in NRW per Auto bewältigt
Ein Achtel nutzt Bus und Bahn
Zwölf Prozent der Beschäftigten nutzen dagegen öffentliche Verkehrsmittel für den Weg zum Job.
Pendler-Stadt Essen
Fast 138.000 Berufstätige in Essen kommenden jeden Tag von außerhalb in die Stadt.
Wo die Essener Werktätigen herkommen
Die meisten (jeweils um die 11.000) starten von Bochum, Gelsenkirchen oder Mülheim/Ruhr, knapp 9000 von Duisburg aus.
Wer morgens aus Essen raus muss
85.000 der Essener arbeiten wiederum außerhalb der Stadt.
A40 - Schlagader des Ruhrgebiets
Die A40 ist die meist befahrene Autobahn im Ruhrgebiet. Bis zu 120.000 Fahrzeuge sind dort pro Tag unterwegs. Die Autobahnen 42 und 52 sind mit bis zu 90.000 Fahrzeugen bevölkert. An der Spitze in NRW liegt die A3 mit bis zu 160.000 Autos am Kölner Ring.
Wann die A40 besonders voll ist
Die A40 ist morgens zwischen 7 und 8.30 Uhr am höchsten belastet – pro Fahrspur und Stunde werden dort dann gut und gerne 2000 Autos gezählt. Am meisten befahren ist die A40 donnerstags. Und freitags zwischen 12 und 16 Uhr.
Pendler auf der Schiene
In Richtung Westen sind zwischen Essen und Mülheim Hauptbahnhof täglich etwa 50.000 Fahrgäste unterwegs. In Gegenrichtung, zwischen Essen und Bochum fahren täglich etwa 40.000 Menschen mit dem Zug, teilt der VRR mit.
Wo die Bahn-Pendler einsteigen
Mit Abstand die meisten Bahnreisenden steigen am Essener Hauptbahnhof ein und aus: 92.000 Bahnreisende zählt die VRR-Statistik dort pro Tag. Am Hauptbahnhof Dortmund sind es 70.000, in Duisburg 61.000, Bochum zählt laut Statistik pro Tag gut 35.000 Bahnreisende,
Wann die Züge voll sind
Die Daten der Deutschen Bahn zeigen, dass Züge in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr wochentags zwischen 6 bis 9 Uhr und 15 bis 18 Uhr reichlich voll sind, mithin überquellen.
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Die Haltestelle Alfred-Krupp-Schule kann Zeit kosten. Hier rennen die Fahrgäste hin und her zwischen den Haltestellen der Straßenbahnlinien 106 und 109 sowie dem Linienbushalt, die Fahrer müssen aufpassen, weil die umsteigenden Fahrgäste oft quer über die Fahrbahnen sprinten. Diesmal ist gerade keine Straßenbahn in Sicht, unser Bus kommt glatt durch. Noch ein letzter kleiner Rückstau vor der Ampel an der Polizeiwache, dann stoppt der Bus am Frohnhauser Markt. Neun Minuten Verspätung zeigt das Display an, das ist eine Minute weniger als bei der Vergleichsfahrt vor der Sperrung. Merke: Wichtiger als die Frage, ob die A 40 frei ist, ist für die Evag, ob in Kray die Busspuren auch wirklich frei gehalten werden.
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