Essen. . Nach fast 400 Jahren sollen die Jesuiten ihr Konvent in St. Ignatius in Essen für immer verlassen. Doch in der Gemeinde gibt es Widerstand, mehr als 600 Gläubige unterschrieben für den Erhalt der Niederlassung. Hoffnung ruht auch auf Bischof Franz-Josef Overbeck.

Sie gehören zur katholischen Kirchengemeinde St. Ignatius wie die Goldene Madonna in den Dom und der Bischof zum Ruhrbistum: Fünfmal wurden die Jesuitenpatres in den vergangenen fast 400 Jahren gerufen, viermal wurden sie wieder aus Essen vertrieben. Ende Juli soll ihr Konvent in Holsterhausen für immer seine Türen schließen und die Jesuiten der Stadt und dem Ruhrgebiet den Rücken kehren – doch wieder mal nicht ganz freiwillig.

Die polnischen Patres sind beliebt in ihrer Gemeinde und in der ganzen Pfarrei. So beliebt, dass sich bisher über 600 Gläubige mit ih­rer Unterschrift für den Erhalt der Niederlassung stark machen: „Wir möchten ein Zeichen setzen, dass wir ei­ne Gemeinde sind und bereit zu kämpfen, dass die Tradition der Jesuiten in Essen weitergeführt wird“, schreiben Heike Schönwälder und Berthold Gollan in ihrem offenen Brief, der in der Kirche und im Gemeindehaus neben den Un­terschriftenlisten ausliegt.

Der Vertrag läuft aus

Auch die drei Jesuitenpatres wollen nicht ans Kofferpacken denken. Schließlich haben sie derzeit genug zu tun, denn das Osterfest steht vor der Tür: Während Ka­plan Krystian Jung gemeinsam mit Kindern aus der Gemeinde bastelt und Pastor Christian Berndt darüber grübelt, wie er die Ostermesse gestalten soll, hat Wieslaw Grabski als Seelsorger im Uniklinikum zu tun. „Wenn die Jesuiten gehen, geht sicher ein Teil der Gemeinde“, befürchten Heike Schoenwaelder, Iris Vollrath-Schreckenberg und Theo Schoer.

Ihre Unterschriftenlisten haben sie bereits an die deutsche und die polnische Provinz der Jesuiten geschickt, an den Generaloberen in Rom und Bischof Franz-Josef Overbeck. Denn die Provinzen und das Bistum hatten vor einigen Jahren einen Vertrag geschlossen, der nun ausläuft: Das Bistum stellt das Haus zur Verfügung, die deutsche Provinz ist für das Konvent zuständig, die polnische fürs geistige Personal. „Wir haben leider keinen Nachwuchs, daher müssen wir das Haus schließen“, beklagt Thomas Busch von der deutschen Provinz. Anders ist die Situation auf polnischer Seite.

Er würde die Patres gerne in Essen lassen und er könnte sogar noch „fünf weitere“ schicken, habe der Provinzial aus Krakau bei einem Besuch vor einer Woche im Gemeindesaal mitgeteilt, sagt Vollrath-Schreckenberg. Aber sie müssten angefordert werden, hieß es. Das kann nur durch Bischof Overbeck geschehen. Die Initiative hofft, dass er die „letzte Chance“, den Orden in Essen zu halten, nicht verstreichen lässt.

 Pater Christian Johannes Berndt. Foto: Dennis Strassmeier
Pater Christian Johannes Berndt. Foto: Dennis Strassmeier © WAZ FotoPool

Auch die Patres möchten gerne bleiben. „Wir haben deutsche Wurzeln und wir sind gerne hier“, sagt Pater Berndt. Kaplan Krystian Jung hofft aufs Einlenken des Bischofs: „Essen ist die Mitte Europas.“ In den vergangenen Jahren hätten die Jesuiten viel aufgebaut und sie hätten noch viel zu tun, gerade in der schwierigen Zeit für die Kirche. „Jetzt wo es spannend wird, eine neue Generati­on heran wächst, sollen wir weg. Die kann man nicht einfach im Stich lassen“, betont Jung.

Eine Antwort aus Rom und vom Ruhrbischof hat die Initi­ative pro Jesuiten aus St. Ignatius noch nicht bekommen. Sollte keine neue Kooperation zwischen dem Bistum und den Jesuiten geschlossen werden, würde die Gemeindekirche in St. Ignatius wahrscheinlich erhalten bleiben. Weiter gibt es Überlegungen, die Jugendkirche des Bistums auf dem Gelände unterzubringen und die Telefonseelsorge. Kontakt zur Initiative 77 69 48 und per E-Mail: initiativeignatius@yahoo.de

Seit fast 400 Jahren wirkt der Jesuitenorden in Essen 

Die Geschichte der Jesuiten ist eng verwoben mit der Historie Essens: Schon 1613 sprachen sich die Fürstäbtissinnen für ei­ne Niederlassung der Jesuiten aus. Sie holten die Patres an die Ruhr, um mit einem katholischen Gymnasium einen Ge­genpol zur lutherischen Laienschule zu schaffen. Außerdem übergaben sie ihnen die Pfarrverwaltung von St. Gertrud und St. Johann. In der Stadt zeichneten sie sich durch Predigten und Krankenpflege aus. Zudem hoben sie das schulische Niveau.

Wegen konfessioneller Streitigkeiten kurzfristig (1629 bis 1665) von Holländern vertrieben, besaßen die Jesuiten 1750 zwei Dutzend Bauernhöfe in Essen und verliehen Geld gegen Zinsen. Am Burgplatz errichteten die Patres eine stattliche Residenz, das spätere Burggymnasium. Nach der Auflösung des Ordens durch Papst Clemens XIV blieben die Jesuiten so lange in Essen, bis Napoleon die Herrschaft der Fürstäbtissinnen beendete. Aber sie kamen wieder. Um 1870 lag ihr Schwerpunkt in der Arbeiterseelsorge.

Jeden Sonntag kamen 1500 Arbeiter zu Vorträgen und religi­ösen Unterweisungen. Der Kulturkampf Bismarcks und Angst vor einer christlichen Gewerkschaft beendete ihr Wirken. Als das Jesuitenverbot im Deutschen Reich 1917 aufgehoben wurde, kamen sie erneut zurück und errichteten 1923 das Ignatiushaus, das 1941 von den Nazis beschlagnahmt wurde. Nach einer Predigt wurde Pater Barkholt von der Geheimpolizei verhaftet; er starb 1942 im KZ Dachau. Im Krieg wurde das Ignatiushaus zerstört. 1945 bauten es die Patres wieder auf. Seit 1980 ist es im Besitz des Bistum Essen.

Das Gnadenbild der Jesuiten – Altarbild in St. Ignatius

(V.l.) Heike Schoenwaelder, Dr. Iris Vollrath-Schreckenberg und Theo Schoer. Foto: Dennis Strassmeier
(V.l.) Heike Schoenwaelder, Dr. Iris Vollrath-Schreckenberg und Theo Schoer. Foto: Dennis Strassmeier © WAZ FotoPool

Das Gnadenbild der „Mutter mit dem geneigten Haupt“ ist ein Kupferstich von Maria aus dem 18. Jahrhundert. 1752 kam das Bild in eine Indianermission nach Brasilien. Durch die Jesuitenverfolgung ab 1957 landete es zusammen mit 124 Jesuiten in einem un­terirdischen Gefängnis bei Lissabon. Während der Gefangenschaft lebten sie in Dunkelheit und ohne gerichtliche Verhandlung. Sie hatten keine Möglichkeit zur Messfeier und bekamen die Sterbesakramente vorenthalten, bis zum Fest der heiligen Maria, am 8. September 1762, an dem die Jesuiten die Gottesmutter um geistlichen Trost und die Sakramente baten.

Der Überlieferung zufolge wurde es ihnen kurz darauf möglich, das heilige Opfer zu feiern und die heilige Kommunion zu empfangen. Die Jesuiten feierten dies als wunderbare Erhörung und erhoben das Gnadenbild zum Altarbild. 1777 wurden sie befreit; das Bild kam über verschiedene deutsche Städte 1936 ins Ignatiushaus nach Essen, wo es auch den Zweiten Weltkrieg überstand.