Essen. Nach der schweren Unfallserie mit Straßenbahnen und Bussen in Essen, bei der mehrere Menschen verletzt wurden und eine ältere Dame starb, stehen die Evag-Mitarbeiter in der Kritik. Das Unternehmen reagiert betroffen, verteidigt jedoch das hauseigene Ausbildungsprogramm, das strenge Maßstäbe setze.
Mit einer schweren Unfallserie hatte die Essener Verkehrs AG (Evag) in der vergangenen Woche zu kämpfen. Zuletzt erlag eine ältere Dame sogar ihren Verletzungen, nachdem ein Bus sie angefahren hatte. Das Verkehrsunternehmen reagiert darauf mit tiefer Betroffenheit und spricht heute in einer Zeitungsanzeige den Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Evag.
„In den 26 Jahren, in denen ich hier tätig bin, hat es so einen schweren Unfall noch nie gegeben“, stellt Thomas von Daake, Leiter des Fahrbetriebs bei der Evag, fest.
Dass gleich drei Unfälle, von denen zumindest zwei durchaus als schwer zu bezeichnen sein dürften, in so kurzer Zeit aufeinanderfolgten, sei ein unglücklicher Zufall, so Sprecher Nils Hoffmann. „Da gibt es keinen Zusammenhang, bei jedem Vorgang sind die Ursachen völlig anders gelagert.“
Technisches Versagen ausgeschlossen
Besonders tragisch aus Sicht des Unternehmens ist wohl, dass ausgerechnet an den zwei schweren Unfällen die Schuld bei den Fahrern zu liegen scheint: Bei dem jüngsten Unfall übersah der Busfahrer beim Abbiegen offenbar die ältere Dame. Auch bei der Kollision dreier Straßenbahnen, bei der knapp 40 Fahrgäste verletzt wurden, hat man technisches Versagen ausgeschlossen. Nicht zuletzt für die Fahrer seien dies traumatische Erlebnisse, beide stünden unter Schock, so Hoffmann. „Wir haben jemanden im Team, der in solchen Fällen die Mitarbeiter psychologisch betreut“, so Hoffmann.
Schweres Bahnunglück
Wenngleich sich Unfälle nie gänzlich vermeiden ließen, tue die Evag viel für die Sicherheit: „Angefangen damit, dass jeder neue Fahrer erst einmal drei Monate lang intensiv ausgebildet wird“, so von Daake. Nach der Theorieprüfung fahren die Neulinge zwei Wochen bei erfahrenen Kollegen mit, bevor sie allein ans Steuer dürfen. „Darüber hinaus beobachten regelmäßig Fahrmeister in Zivil die Leistungen unserer Fahrer“, unterstreicht von Daake. Dies alles seien gesetzliche Vorgaben, ebenso wie die Untersuchung der Busse alle drei Monate.
Außerdem würden die Mitarbeiter regelmäßig geschult: „Dabei geht es auch um Fragen, wie man Stress vermeidet oder wie man, zum Beispiel bei Streitsituationen im Fahrzeug, Deeskalation betreibt.“
"Die jahrelange Erfahrung am Steuer ist die beste Schulung"
Ein weiterer Baustein sei das Gesundheitsmanagement: „Wir bieten regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen für unser Mitarbeiter an“, unterstreicht Hoffmann. „Natürlich ist auch dies eine Maßnahme, um langfristig für Sicherheit zu sorgen“, so Hoffmann. „Denn es gilt zu verhindern, dass ein Fahrer, der kurz vorm Herzinfarkt steht, am Steuer sitzt.“ Zwar geschehen diese Untersuchungen auf freiwilliger Basis, räumt von Daake ein. Aber: „Wir versuchen die Fahrer dafür zu sensibilisieren, indem wir ihnen aufzeigen, dass es dabei auch um sie geht.“ Obligatorisch sei dagegen der Besuch beim Betriebsarzt alle drei Jahre.
Als besondere Herausforderung sieht die Evag nicht zuletzt den demografischen Wandel: Bereits jetzt seien die 800 Evag-Mitarbeiter im Schnitt 46 Jahre alt. „Es wird gerade untersucht, wie wir mit immer älter werdendem Fahrpersonal optimal umgehen“, so von Daake. Bereits heute müssten Fahrer, die über 50 Jahre alt sind, zum Reaktionstest. „Noch nie ist es vorgekommen, dass dabei jemand durchgerasselt ist.“ Ein hohes Alter sei schließlich nicht per se ein Nachteil: „Die jahrelange Erfahrung am Steuer ist die beste Schulung“, ist von Daake überzeugt