Essen. . Drogen, Raub, Schulden: Drei Jungen erzählen vom Absturz und dem Weg zurück. Sie würden heute im Gefängnis sitzen, hätten sie bei der Sybille- und Horst-Radtke-Stiftung, die Jugendliche in solchen Lagen hilft, nicht Paten gefunden.
Gekifft hat Michael* mit zwölf. Später kam ein bisschen Kokain dazu, sagt der 18-Jährige mit den kurzen dunklen Haaren. „In der Schule bin ich irgendwann ganz abgesoffen.“ Die Eltern schmissen ihn raus. Mit der Freundin lief es auch nicht mehr.
Dazu kamen unzählige Gerichtsverfahren, eins wegen räuberischer Erpressung, ein anderes weil er unter Drogen im Straßenverkehr unterwegs war. Außerdem hat Michael Jugendliche abgezogen: „Ich habe ihnen Geld und Handys abgenommen“. Er brauchte ja Geld für seine Drogen, begründet er und blickt nach unten. „Ohne Herrn Radtke wäre ich eingefahren.“ Michael würde heute im Gefängnis sitzen, hätte er bei der Sybille- und Horst-Radtke-Stiftung, die Jugendliche in solchen Lagen hilft, nicht Paten gefunden.
„Ich hab’ Hilfe gebraucht“, sagt Michael. „Ich stand auf der Straße und hatte nix.“ Horst Radtke und Monika Kroll haben ihn vor Gericht „rausgehauen.“ Sechs Monate muss Michael sich an Regeln halten: Finger weg von Drogen und Verkehrserziehung gehörten dazu. Mit Monika Kroll hat er vier Stunden wöchentlich Mathe, Deutsch und Englisch gepaukt, hat sich gestritten und versöhnt, ist immer wiedergekommen in die Bücherei zur Nachhilfe.
Michael hat heute einen Leseausweis und den Hauptschulabschluss mit einem Zeugnis, auf dem Einsen und Zweien stehen. „Früher war es katastrophal“, gesteht er. Immerhin ist er seit der siebten Klasse nicht regelmäßig in die Schule gegangen. Heute wird er auch nicht mehr so schnell aggressiv, sagt seine Patin.
Nach der neunten Klasse aus der Schule raus
Manchmal gibt es Momente, da fällt es ihm schwer, nicht an Drogen zu denken, aber dann lenkt er sich ab. Und bald fängt seine Ausbildung zum Maler und Lackierer an.
Robert* würde gern Mechatroniker werden oder als Lagerarbeiter anfangen. Schule hasst er, „weil ich dort mit vielen nicht klar komme“. Dennoch nimmt er jetzt den vierten Anlauf auf dem Berufskolleg, weil sein Pate ihm dazu geraten hat. Robert hat die Schule nach der neunten Klasse verlassen. „Meine Eltern haben sich scheiden lassen.“ Und Robert kannte leider viele, die Drogen nahmen.
Drogen, Jugendarrest, Gewalt
„Ich habe lange Abstand gehalten, weil ich viel Sport gemacht habe.“ Der 20-Jährige fährt Skateboard, spielt Basketball und klettert. Und nahm die Drogen doch, „um den Schmerz zu verkraften“.
Er hat geklaut, geprügelt, kam in den Jugendarrest, mal ein Wochenende, mal zwei Wochen. Er pendelte zwischen Mutter und Vater, der ständig Versprechen brach, sagt Robert. Irgendwann vertraute er sich einer Jugendgerichtshelferin an, weil er es nicht mehr aushielt nachts beim Vater auf dem Sofa, während der Frauen anschleppte und sich betrank. Statt Hilfe bekam Robert aber am nächsten Tag einen Schlag ins Gesicht. Vom Vater, der von dem Gespräch erfahren haben musste, sagt Robert.
Er hat sich dann rumgetrieben, ist nachts herumgelaufen, um nicht auf der Straße oder unter der Brücke zu schlafen. Offiziell war er obdachlos, ohne Geld. „Das Jobcenter hat mich immer weggeschickt.“ Er brach also in Lagerhallen ein, überfiel Leute.
Hilfe anzunehmen, hat Überwindung gekostet
Dann hat ihm einer vom Radtke erzählt. Robert hat sich überwunden, um Hilfe zu bitten. Es fiel ihm schwer, weil er sich so geschämt hat. „Ich kann schwer annehmen, gebe lieber“, sagt der blonde Junge. Sein Selbstwertgefühl war damals am Boden. Er stand da ohne Perspektive, wollte in den Knast oder ins Ausland.
Nun hat er 400 Euro auf dem Sparbuch, die Nachzahlung vom Jobcenter. Und die erste Freundin. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn da jemand auf mich wartet.“ Robert hat langsam gelernt, wieder zu vertrauen.
Paten zeigen den Jugendlichen den Weg in ein normales Leben
Peter* hofft auf eine Wohngemeinschaft mit einem Freund. Der 20-Jährige hat bereits in einer WG gelebt: „Aber da lief alles schief“. Sie nutzten als Mietnomaden den Vermieter aus. Peter hat jede Menge Schulden, die er jetzt abzahlt. Peter kiffte, versuchte Cannabis zu verkaufen. Verlor seine Ausbildung als Gärtner. Dabei war das genau sein Ding: körperlich arbeiten, an der frischen Luft. Jetzt steht ein Vorstellungsgespräch beim Steinmetz an.
Sein Kontakt zu den Eltern ist dank der Paten besser. „Ohne sie hätte ich das nicht geschafft, weil ich psychisch zu schwach war“, sagt Peter, der kämpft, um clean zu werden. Die Paten haben ihm einen Weg gezeigt: „Gehen muss ich den allein“, weiß er. Sagt lächelnd: „Es klappt ganz gut.“