Essen. . Die Erinnerung quält immer noch, die Angst bleibt da. Acht Jahre nach der Tat trifft die 59-Jährige aus Werden im Landgericht Essen auf den Mann, den sie am 27. Juli 2004 beim Einbruch in ihrem Haus überrascht hatte. Auf den Mann, der sie massiv misshandelte, um nicht enttarnt zu werden. Auf versuchten Mord lautet die Anklage vor dem Schwurgericht.
Verteidiger Heinz-Walter Lindemann sagt zu der 59 Jahre alten Zeugin, sein Mandant wolle sich bei ihr entschuldigen. Heftig schüttelt die Frau ihren Kopf. Aber der Anwalt beruhigt sie gleich: Er habe seinem Mandanten davon abgeraten und wünsche ihr, dass sie eines Tages stark genug sei, um mit der Tat abzuschließen. Noch immer ist die Hausfrau in psychologischer Behandlung, hat ihren Beruf als freie Handelsvertreterin aufgegeben. Bei ihrer Aussage weint sie, als sie den Prozessbeteiligten von der brutalen Tat berichtet.
Der 27. Juli 2004: Erst seit wenigen Wochen hatte die Familie das Einfamilienhaus in Werden bezogen. Bauarbeiter hatten es renoviert, darunter auch polnische. Zu ihnen zählte auch der Angeklagte, sagt sein späteres Opfer. Morgens war die damals 52 Jahre alte Frau noch im Ort gewesen, hatte Geld bei der Bank geholt und eingekauft. Als sie um zwölf Uhr ihr Haus betrat, wurde sie sofort von einem Mann angegriffen, der sie mit Pfefferspray besprühte. Beschimpfungen hörte sie: „Warum kommst Du schon jetzt nach Hause? Du bist selbst schuld.“
Bislang hatte er die Tat bestritten
Gleichzeitig wurde sie von hinten gepackt, bekam einen Schlag auf den Hinterkopf. Sie erinnert sich, dass sie gewürgt, ihr Kopf mehrfach auf den Steinboden geschlagen wurde. Dabei schrie der Mann: „Wenn Du mich verrätst, bringe ich dich um.“ Schließlich hätte der Angeklagte sie gefesselt und die Kellertreppe herunter geschubst. Tot habe sie sich gestellt. „Ich hatte Angst, dass noch mehr passiert.“ Doch der Täter verlässt das Haus mit Schmuck und Bargeld. 50 000 Euro soll die Beute wert sein, gibt das Opfer später an. Die Frau kann sich von ihren Fesseln befreien und zu Nachbarn flüchten.
Der Angeklagte wird schnell ermittelt. Über die polnischen Bauarbeiter bekommt die Polizei ein Foto und erfährt über die polnische Polizei, dass es sich um Cezary P. handelt. Der heute 43-Jährige hatte sich in Essen unter falschem Namen mit gefälschtem Ausweis vor der polnischen Polizei versteckt, die ihn wegen Diebstahls und illegaler Schleusertaten suchte. Kurz nach der Werdener Tat flüchtete er zurück in sein Heimatland, wurde dort festgenommen und verbüßte bis Ende 2011 wegen der polnischen Delikte eine lange Zeit im Gefängnis. Anschließend überstellte die Justiz seiner Heimat ihn nach Deutschland.
Bislang hatte er die Tat bestritten. Er sei noch nie in diesem Haus in Werden gewesen und habe dort auch nie gearbeitet, sagte er früher, obwohl DNA-Spuren im Haus und an den Fesseln ihn eindeutig identifizierten. Zum Prozessauftakt gestand er am Dienstag doch. Allerdings sei die Beute kleiner gewesen und er habe die Frau auch nicht so massiv misshandelt, wie es in der Anklage stehe. Eine Aussage, die nach Ansicht von Rechtsmediziner Thomas Bajanowski zu den Verletzungen passen könnte.
Die Anklage von Staatsanwältin Birgit Jürgens hatte da auch übertrieben und von einem Rippen- und einem Armbruch gesprochen, die es tatsächlich nicht gab. Die wirklichen Verletzungen, vor allem die im Gesicht, waren zwar schwer, aber relativ schnell abgeklungen. Rechtsmediziner Bajanowski: „Das gravierende Problem sind die psychischen Verletzungen.“