Essen. 2009 wurde der “schöne Jörg“ brutal ermordet. Die Polizei hatte zahlreche Tatverdächtige. Bis Spürhunde sie zur Wohnung der Lebensgefährtin führten. Schließlich wurden sie und ihr Exmann zu einmal lebenslänglich sowie 14 Jahren Haft verurteilt.

Am Morgen des 18. Februar 2009 entdeckte ein Bäckerei-Auslieferungsfahrer auf der Kanalbrücke der Prosperstraße, kurz vor der Bottroper Straße, die entsetzlich zugerichtete und mit Kabelbindern gefesselte Leiche von Jörg W. (44). Am Morgen des 2. März verhafteten Fahnder der Mordkommission „Brücke“ W.s Lebensgefährtin Sandra S. aus Bottrop und deren Exmann Markus L. (36) aus Mülheim als mutmaßliche Mörder. Dazwischen lagen Ermittlungen, die ein Krimiautor wohl als viel zu weit hergeholt abgetan hätte.

Der „schöne Jörg“ war eine schillernde Figur. Kräftig gebaut, ein Tattoo „Bad Boy“ auf dem Rücken, Türsteher und Bodyguard mit Kontakten zum Hamburger Kiez - und mit einer Vielzahl von Frauengeschichten. Er führte drei bis vier Beziehungen gleichzeitig, ließ sich von Frauen aushalten und einen An- und Verkaufsladen in Bottrop einrichten.

Die Leiche war zu sperrig, um sie über die Brücke zu werfen

Jede Menge möglicher Motive also, Jörg W. brutal den Schädel einzuschlagen, ihm zum Schutz vor Blutspuren eine Plastiktüte über den Kopf zu ziehen und in ein Spannbetttuch gewickelt zum Kanal zu bringen, um die Leiche ins Wasser zu werfen. Was letztlich nicht funktionierte, weil eine Leiche sehr schwer und sperrig sein kann. Jede Menge Ermittlungsansätze hatten die Fahnder - nur zunächst keinen Verdacht gegen die Mörderin.

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„Wir haben auf der Couch gesessen, an der später die Spürhunde anschlugen“, erinnert sich Michael Weskamp, Chef des Kommissariates 11 und Leiter der Mordkommission. „Uns gegenüber saß ein Püppchen mit einem Baby auf dem Arm und erzählte uns: Der Jörg ist vor drei Wochen ausgezogen. Sie hat uns sogar die Umzugskartons gezeigt, die er noch abholen wollte. So weit sie wisse, sei er auf dem Weg nach Hamburg. Klang alles glatt und plausibel.“

„Wir haben uns von ihr blenden lassen“ sagt Ulrich Loock, der Experte für Tatorte. „Wir haben auf die altrosa Raufasertapete geschaut und nicht gesehen, dass sich dort das Blut des Opfers wie ein Spray verteilt hatte.“

Aber die Spürhunde ließen sich nicht auf eine falsche Spur locken. Die Mordkommission hatte so genannte Man-Trailer-Hunde am Fundort der Leiche die Spur aufnehmen lassen, um den Tatort zu finden. Der Hund nahm Witterung auf und legte los. „Der hat die Spur drei Kilometer weit zurück verfolgt“, erinnert sich Loock, „und führte uns auf geradem Weg zur Wohnung von Sandra S.. Für uns stand damit fest, dass die Frau nicht ganz raus ist, aus dem Kreis der Verdächtigen.“

Zahlreiche Frauen hielten das Opfer aus

Zunächst mussten die Fahnder sich aber durcharbeiten durch „eine ganze Galerie von Frauen, von denen er Geld bekommen hatte“, sagt Weskamp. „Alle hatten geglaubt, sie seien die Einzige gewesen.“ Jede Einzelne hätte also ein Motiv haben können.

Doch dann stoßen die Ermittler auf Telefonate, die Sandra S. mit ihrem Exmann geführt hatte. Bekommen heraus, dass Markus L. den „schönen Jörg“ zur Rede gestellt hatte, weil er dessen vierjährige Tochter, die bei Sandra S. lebte, schlecht behandelt haben soll. W. hatte ihn abfahren lassen und mit seinen „Hamburger Jungs“ gedroht. Die Ermittler sammeln weitere Hinweise - und schlagen zu, als sie hören: Sandra S. will ihre Wohnung auflösen.

So gut Sandra S. die Wohnung auch vom Blut gereinigt hat: Die Mordkommission entdeckt die Blutspuren. Am Arbeitsplatz von Markus L. finden Beamte in einer Plastiktüte die Scheckkarte des Opfers. Schließlich beginnt Markus L. zu reden.

So könnte es sich abgespielt haben: Nach einem Streit flößt Sandra S. Jörg W. ein Schlafmittel ein und ruft ihren Exmann zur Hilfe. Der kommt mit einem Metallschläger und prügelt auf W. ein. Während er zum Auto geht, um die Kabelbinder zu holen, vermutet Loock, „hat sie mit der Fleischaxt zugeschlagen.“ Obwohl letzte Zweifel am Tathergang bleiben, spricht das Schwurgericht später von Mord und urteilt: einmal lebenslänglich, einmal 14 Jahre Haft.

Es geht nicht nur um Mord

Der Begriff „Mordkommission“ hat Tradition, führt aber in die Irre. Ob ein Mensch ermordet worden ist oder nicht - das zu bewerten ist nicht Aufgabe einer Mordkommission, sondern die von Staatsanwaltschaft und Gerichten. Es muss noch nicht einmal ein Mensch gestorben sein: Derzeit ermittelt eine Mordkommission unter der Leitung von Detlev Büttner wegen der Messerstecherei am Abend des 8. Februar an Gleis 7 des Hauptbahnhofes, wo zwei Gruppen von Türken und Libanesen mit Messern auf einander los gegangen waren. Der Tatvorwurf lautet versuchter Totschlag. Die beiden schwer verletzten Libanesen (18 und 20 Jahre) sind inzwischen außer Lebensgefahr, zwei mutmaßliche türkische Täter (25, 26) sind nach Vernehmung entlassen worden. Immer noch sucht die Polizei Zeugen der Auseinandersetzung, unter anderem mit Fahndungsplakaten im Hauptbahnhof.

In 1500 Todesfällen, 1200 in Essen und 300 in Mülheim, wird die Polizei zu Rate gezogen. In 25 bis 30 Fällen pro Jahr ergeben erste Ermittlungen einen Verdacht auf ein Tötungsdelikt.

Eine Mordkommission wird gebildet aus Beamten des Kommissariates 11, zuständig unter anderem für Todesursachenermittlungen, und Kripobeamten, die aus diesem Anlass aus anderen Kommissariaten zur Unterstützung kommen. Eine Mordkommission kann nur aus drei Beamten bestehen, aber auch mehr als 20 Mann umfassen.