Essen. . Der Wahl-Essener und Tanzlehrer Peter Keup berichtet seit anderthalb Jahren als DDR-Zeitzeuge vor Schüler- und Lehrergruppen aus seiner Zeit im Gefängnis. Längst ist Peter Keup mehr als ein Botschafter im eigenen Land. „Davon zu erzählen ist wie eine Therapie“, sagt er.

Ein Innenhof. Vielleicht sechs Meter lang und vier Meter breit. Überspannt von einem Wellblechdach, begrenzt von hohen Mauern. Die Kamera fährt in dieser tristen Szenerie im Kreis, fährt den Weg eines Gefangenen in Stasi-Haft beim Freigang nach, schwenkt nach oben, der Himmel ist nicht zu sehen. Aus dem Off erzählt der Wahl-Essener Peter Keup zu diesen Bildern von seinen zehn Monaten im Gefängnis. Einzelzelle. Einsamer Hofgang.

Das ist sein persönliches Erlebnis. Der Tanzlehrer verallgemeinert es nicht, um als authentischer DDR-Zeitzeuge berichten zu können. Die Bundeszentrale für politische Bildung wurde vor anderthalb Jahren nach einem WAZ-Bericht auf ihn aufmerksam. Seither erzählt er vor Schüler- und Lehrer-Gruppen aus diesem düsteren Kapitel jüngerer deutscher Geschichte.

Mehr als ein Botschafter im eigenen Land

Dabei hat Peter Keup eine Gabe: Eine bildhafte Sprache, die Erlebtes nachfühlen lässt. Vom unfreien Leben in der DDR, seiner missglückten Flucht, seiner Stasi-Haft und seinem Freikauf durch die Bundesrepublik Deutschland. Mit seinen Berichten steht er exemplarisch dafür, wie ein Land zusammen wächst, wie es mit seiner Geschichte umgeht, sie aufarbeitet.

Längst ist Peter Keup mehr als ein Botschafter im eigenen Land. „Ich habe die mangelnde Reisemöglichkeit immer als schwerwiegende Einschränkung empfunden“, sagt er. Nun schaut er sich die Welt an – privat und in der Rolle des Aufklärers. „Anfang des Jahres war ich drei Monate unterwegs.“

Erste Station: Das argentinische Buenos Aires. Weil er sich als Tanzlehrer für den Tango interessiert. Und um in der Welt zu erzählen: „Es reicht nicht, satt zu sein und ein Dach über dem Kopf zu haben. Man muss sich für politische Strömungen interessieren und sich für die Demokratie engagieren. Und man muss sich einmischen. Am Beispiel der DDR kann man sehr gut deutlich machen was passieren kann, wenn man alles einfach laufen lässt. Da war der Prozess zunächst auch schleichend, bis schließlich die Mauer gebaut und die Reisefreiheit eingeschränkt wurde.“

"Davon zu erzählen ist wie eine Therapie." 

Er hätte Schluss machen können mit dieser Vergangenheit, sich ums Vergessen bemühen können. Doch er sagt: „Davon zu erzählen ist wie eine Therapie. Die Menschen stellen Fragen und über das Nachdenken, über die Antworten kommt man zu einer Klarheit über die Dinge, die man vorher nur als wirren Wust im Kopf hatte.“

Fotos hat Keup von seiner Reise mitgebracht, die ihn zeigen vor der Casa Rosada, von deren Balkon Evita Perón einst ihre flammende Rede hielt. Auf den Stufen vor Sydneys Oper ist er zu sehen und in einer Schule in Taiwan. Überall traf der Tanzlehrer auf Deutsche. 20-Jährige, die sich nicht mehr an ein geteiltes Deutschland erinnern können. 60-Jährige, die die Wiedervereinigung miterlebten und nun verblüfft sind über Details, „zum Beispiel wenn sie hören, dass es eine Preisliste für den Freikauf von Häftlingen gab. Die Freikauf-Summe hing davon ab, was einem zur Last gelegt wurde.“

Ausstellung in Buenos Aires

Finanziert hat der Rüttenscheider die dreimonatige Reise selbst, „aber die Bundeszentrale für politische Bildung ist so begeistert von dem, was ich während der Reise erreicht habe, dass sie sich nachträglich an den Kosten beteiligen will.“ Anfragen hat Keup bereits für das nächste Jahr, wenn eine Ausstellung, die das Zusammenwachsen Deutschlands zeigt, in Buenos Aires gezeigt wird, „denn dort tut man sich mit dem Thema sehr schwer.“

Gleiches erfuhr Keup in Taiwan. „Da gibt es Parallelen mit der DDR. Das kommunistische China sieht Taiwan als eine seiner Provinzen an, während Taiwan gern eigenständige Republik wäre.“ Ähnlich sei es in Korea, „der Süden wünscht sich ein Zusammenwachsen, aber davon ist Nordkorea weit entfernt.“ Hinreisen möchte er im nächsten Jahr, „denn ich genieße es sehr, in Freiheit zu sein und reisen zu können.“ Sein Ziel: „Ich möchte gern die Mauer zwischen Nord- und Südkorea sehen.“

"Hier bin ich zu Hause"

Dabei sind die Erinnerungen an die Berliner Mauer bei Keup noch sehr frisch. „Ich weiß noch, was es für ein seltsames Gefühl war, nach dem Freikauf auf der anderen Seite zu stehen und das Leben in der DDR zwar über die Mauer hinweg sehen, aber nicht mehr erreichen zu können, ohne die Mauer zu überwinden und dabei mein Leben zu riskieren.“

Von Fernweh spricht Keup, der an der Friederikenstraße 19 eine Tanzschule betreibt, und von Reiselust. Und dennoch: In Essen ist er sesshaft geworden. „Ich bin nach dem Freikauf hierher gekommen, weil meine Großeltern hier gelebt haben.“ Wegziehen möchte er nicht. „Hier bin ich zu Hause“, sagt er.