Duisburg-Hamborn. .
Wie lebt es sich in einer Diktatur? Wie fühlt es sich an, sein halbes Leben in einem Staat zu leben, dessen Grenzen ummauert oder hermetisch abgeriegelt sind? Der Zeitzeuge Peter Keup berichtet.
Wie lebt es sich in einer Diktatur? Wie fühlt es sich an, sein halbes Leben in einem Staat zu leben, dessen Grenzen ummauert oder hermetisch abgeriegelt sind? Wie ändert sich das Leben, wenn man es dort nicht mehr aushält, ein Fluchtversuch scheitert und man wegen Republikflucht zehn Monate in mehreren Gefängnissen der Staatssicherheit einsitzen muss? Über seine Erfahrungen mit dem „Arbeiter- und Bauernstaat“ berichtete der ehemalige DDR-Bürger Peter Keup ausführlich 30 Schülern des Abtei-Gymnasiums in zwei spannenden Unterrichtsstunden.
Peter Keup, 1958 im sächsischen Radebeul, der Karl-May-Stadt an der Elbe nahe Dresden geboren und aufgewachsen, war in der DDR ein erfolgreicher Turniertänzer und vertrat sein Land bei zahlreichen Meisterschaften. Sein Wunsch, an Tanzturnieren im Westen teilzunehmen und dort Karriere zu machen, blieb unerfüllt. Im Juli 1981 scheiterte sein Fluchtversuch über die Tschechoslowakei und Ungarn. Wegen „Republikflucht“ zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt, gelangte er dennoch in den Westen, in die Freiheit: Im März 1982 kaufte die Bundesregierung Peter Keup frei – wie Tausende Mitbürger der DDR, die das SED-Regime, die tägliche Überwachung und Einengung des Lebens, ablehnten.
Keup schilderte den Schülern, wie er seine Flucht jahrelang plante. Letztlich scheiterte sie an einer Kleinigkeit: Denn Keup war mit einem Zug schon bis nach Ungarn gekommen, als Beamte bei einer Kontrolle in seinem Abteil feststellten, dass der DDR-Bürger keine Rückfahrkarte besaß. Damit rückte Keup weiter in den Fokus der Ermittler. Durch Kontakte mit Familienangehörigen im Westen und Ausreiseanträge seiner Eltern stand Keup zu diesem Zeitpunkt ohnehin unter Beobachtung. Keup wurde festgenommen, in der Haft von der Stasi verhört.
Keup beschrieb den Schülern eindrucksvoll sein Verhältnis zu seinem „Verhörer“ und gab erstaunliche Einblicke: „Ich habe meine Verhöre als willkommene Abwechslung im isolierten Knastalltag empfunden. Wenigstens erkundigte sich jemand nach meinem Wohlbefinden, auch wenn dieses Interesse keinen aufrichtigen Motiven geschuldet war. Allein die Tatsache, dass ich eine Art Unterhaltung führen konnte, habe ich sehr genossen, auch wenn die Gespräche nur aus Fragen und Antworten bestanden.“ Keup verspürte nach eigenen Aussagen keinen Hass gegen seine Peiniger. Dafür betrachtete er die Stasi-Beamten als „gescheiterte Persönlichkeiten“. Keup, der heute in Essen lebt und in Dinslaken als Tanzlehrer arbeitet, beschrieb den Abtei-Schülern auch die harten Haftbedingungen in den Stasi-Gefängnissen Dresden, Karl-Marx-Stadt und Cottbus, in denen er einsaß.
Die Zeit nach seiner Flucht erlebte Peter Keup als Befreiung im doppelten Sinn: „Zunächst habe ich meine Vergangenheit und die Existenz der DDR vollständig verdrängt. Umso schockierter war ich, als die beiden deutschen Staaten 1990 wiedervereinigt wurden. Ich hegte sogar Auswanderungspläne, weil ich den Gedanken, mit den Funktionären des SED-Apparates in einem Land zu leben, nicht ertragen konnte.“ Keup weiter: „Ich würde aber heute gerne einen Vertreter der Stasi treffen. Denn es ist mir ein persönliches Anliegen, die gemeinsame Vergangenheit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.“