Tag der Arbeit - alles neu macht der Mai auch nicht
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Essen. . Mehr Kundgebung für die eigene Klientel, denn Familienfest war die Feier des DGB-Stadtverbandes auf dem Burgplatz. Das sonnige Wetter beschert dem DGB dennoch rund 2000 Besucher. Ein Manko: Junge Menschen bleiben in der Minderheit.
Manche Dinge brauchen wohl Zeit, bis sich ihr Charakter verändert, so auch die 1. Mai-Kundgebung des Stadtverbandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zwar ist man nach über 40 Jahren wieder auf den historisch aufgeladenen Burgplatz gezogen, aber so recht will der Stimmungsfunke nicht überspringen. Kurz klingt das Motto „Gute Arbeit für Europa“ etwa in den Reden an, kurz ist auch der Applaus. Einiges hatte man sich im Vorfeld vorgenommen: familienfreundlicher zu werden, weg von der reinen Kundgebung. Ganz gelingt dies nicht. Das sonnige Wetter beschert dem DGB dennoch rund 2000 Besucher. Ein Manko: Junge Menschen bleiben in der Minderheit.
Mit Samba über die Rü
Erfrischend anders ist dagegen die Strecke des Demo-Zuges. Voran mit einer Samba-Truppe geht’s ab 10 Uhr durch Rüttenscheid. Politisch durchsortiert erscheint der Tross, vorne der OB, Gewerkschaftler, Sozis, Jusos, Linke, tiefroter wird’s zum Ende, mit Hammer und Sichel sowie klassenkämpferischen Parolen. Auch in den Forderungen unterscheidet man sich: Faire Leiharbeit fordert etwa der DGB, der SDAJ und andere rufen zum Verbot derselben auf. Andere nutzen den Spaziergang zum Plaudern. „Und hast Du in den Mai getanzt?“, sagt eine Genossin zu der anderen. Die Antwort geht in den Trommelschlägen unter.
„Die Arbeiterschaft wohnt doch gar nicht in Rüttenscheid“, mokiert sich ein junges Mädel über den Streckenverlauf. Von der Rü wird ein Schlenker entlang der Wohnhäuser an der Julienstraße gemacht. Verdi-Sekretär Markus Neuhaus skandiert per Megafon „Fenster auf, Fenster auf!“. Eine Mutter mit Tochter macht das auch gleich. Ihr Urteil: „Das erregt mehr Aufmerksamkeit, das finde ich gut.“ Andere schauen eher verdattert, Bengalo-Feuer oder rote Fahnen, wie in der Walpurgisnacht im Berliner Wedding, schwenkt aber niemand vom Fensterplatz aus. Wir sind ja schließlich in Rüttenscheid – da hält die morgendliche Besucherin im Café ihrem Mops lieber die Ohren zu.
Bunter Burgplatz
Angekommen auf dem Burgplatz freut sich DGB-Stadtverbandsvorsitzender und IG-Metaller, Bruno Neumann, über den großen Andrang. Er begrüßt Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner. Die, die am 1. Mai arbeiten, vergisst er. „Nach den Hungerdemonstrationen 1947 setzten sich die Essener Betriebsräte hier am 1. Mai 1948 gegen Ausbeutung und Kapitalismus ein“, erinnert er an die Geschichte des Platzes.
Hört die Signale
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Jegliche Couleur ist vertreten, von den Christdemokraten bis zu den Piraten. Neumann erneuert seine Aufforderung an den Essener Unternehmensverband, im Tarifstreit der Elektro- und Metallindustrie ein vernünftiges Angebot vorzulegen. Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) greift deutlicher den europäischen Kontext auf: „Trotz Rettungsschirm stehen die Menschen im Regen“, kritisiert er die Finanzwirtschaft. Ohne Wahlkampf kommt seine Rede nicht aus: Er ruft zur Unterstützung der amtierenden Landesregierung auf – wegen ihrer kommunenfreundlichen Politik.
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