Essen.

Zwischen Mett und Meisterprüfung: Daniela Enzinger arbeitet als Gesellin und behauptet sich in einem Beruf, den sonst meistens Männer machen.

Die Wurstküche ist ihr Arbeitsplatz, allein unter Fleischern: Daniela Enzinger bereitet Brät zu, würzt die Masse, stellt Leberwurst und Lufttrockene her. Morgens beginnt sie mit Mett und Bratwurst. Sie zerlegt Teile von Schweinen oder Rindern, schneidet Schnitzel oder Steaks. Schweinehälften schleppt sie zwar nicht, weil die Kollegen ihr das abnehmen. Dennoch hebt sie ständig schwere Kisten oder Knochen. Die Arbeit bedeutet auch Belastung. „Für Frauen ist es ein anstrengender Job“, sagt die Fleischerin. Und für sie der Traumberuf.

Zu Beginn ungewohnt

„Anfangs war es sehr ungewohnt, weil es doch ein Männerberuf ist“, sagt Daniela Enzinger. „Nach zwei Wochen war ich aber drin.“ Genauso lange dauerte es auch, bis bei ihrem Chef Bernd Burchhardt anfängliche Zweifel schwanden. Eine Frau als Fleischerin? Daniela Enzinger ist gehörlos.

Sie ist gerade mal 1,57 Meter groß. Und eine Schweinhälfte wiegt immerhin 50 Kilogramm. „Daniela ist so forsch aufgetreten“, erinnert er sich lächelnd ans Vorstellungsgespräch vor neun Jahren. „Ich schaff’ das“, hat sie ihm damals gesagt. Weil sie alles mit so viel Spaß macht, „packt sie das“, glaubt er.

Kurz vor der Meisterprüfung

Nun steht die Fleischerin kurz vor ihrer Meisterprüfung, hat die Bereiche Fachtheorie, Praxis und Ausbildung schon bestanden. Nur der kaufmännische steht für die junge Frau noch aus, die die Meisterschule mit Hörenden absolviert. Das macht es für sie doppelt so anstrengend, weil sie trotz einer Ohren-Operation und des Hörgeräts nicht nur genau zuhören muss, sondern viel von den Lippen abliest. Wenn sie aber von dem Abschluss spricht, strahlt sie. Sie will auch als Schwerhörige zeigen: „Ich kann das.“ Und hat zurzeit nur einen Wunsch: „Den Meisterbrief, das war’s“.

Zu dem führte ein Umweg: Nach dem Schulabschluss hat Daniela Enzinger erst eine Ausbildung als Arzthelferin begonnen. Aber da gab es zu wenig mit den Händen zu tun und zu viel Latein. Ihr Wunsch Tischlerin zu werden, scheiterte dann an ihrer Stauballergie.

Opas Vorschlag 

Was blieb, war schließlich Opas Vorschlag: Fleischereifachverkäuferin. „Kommt nicht infrage“, rief die Enkelin erst. Machte es doch und arbeitete hinter der Wursttheke, bis sich ihr Gehör weiter verschlechterte. Dann legte ihr das Arbeitsamt eine Umschulung nahe: zur Fleischerin.

So landete sie im Ruhrgebiet, kam aus dem tiefsten Bayern nach Essen, wo sie die Stelle bekam und blieb. Nur manchmal vermisst sie das Skifahren. Sie kletterte und wanderte viel. Jetzt schwimmt sie gern in ihrer Freizeit, entdeckt immer noch die Industriekultur am Wochenende.

Um vier Uhr geht der Wecker

In der Woche reißt sie ihr Blitzwecker um vier Uhr mit Lichtgewitter aus dem Schlaf. „Das klappt ganz gut“, sagt sie zum Arbeitsbeginn um fünf. Besser funktioniert es inzwischen auch mit den scharfen Messern. Schwierig wird es nur manchmal, wenn sie allein in der Wurstküche steht. Wenn sie die schweren Massen in den Cutter hieven muss.

Manchmal hört sie auch nicht, wenn ein Kollege ruft. Sie muss sich bei der Arbeit schon sehr konzentrieren. Aber in der Regel schauen sie sich nur an und verstehen sich, sagt Daniela Enzinger und lobt ihr männliches „Spitzenteam“.

"Man muss Kumpeltyp sein"

Ob sie anderen Mädchen den Job empfiehlt? „Eher nicht“, sagt die Fleischerin. Es sei denn, sie können sich richtig anpassen, sind stark und jammern nicht. „Man muss Kumpeltyp sein.“ Bei blöden Frauenwitzen macht sie einfach mit, sonst hat man keine Chance, erzählt sie und nennt sofort schmunzelnd einen Vorteil ihrer Berufswahl: „Männer sind nicht zickig“.

Nur einmal hat Daniela Enzinger fast eine Krise bekommen: Als ihr Chef die Fleischerei auf Bio umstellte. „Es wurde viel schwieriger.“ Seitdem mischt sie Gewürze selbst statt Mischungen zu verwenden.

Ein Jahr lang experimentierte sie mit der Leberwurst, bis die mit dem richtigen Fettanteil und ohne Emulgator endlich streichzart wurde, erzählt die 31-Jährige, die ihre Produkte täglich selbst probiert. Sie isst aber auch zu Hause immer noch gern Fleisch und mag am liebsten herzhaften Metzgerschinken. Mit einer Ausnahme: „Zum Frühstück gibt es Nutella und Marmelade.“