Essen. . Sie konterkariert das Klischee - von wegen nur männlich und 60plus: Einer Sportart aktiv mit Haut und Haar verfallen sind viele. Bei Eva Pawlak ist es Golfen, und zwar da, wo Essen richtig ländlich wird: in Heidhausen - beim dortigen Golfclub.
Golfspieler sind männlich, 60 plus und tragen karierte Hosen – wenn sie nicht gerade weiblich, 32 und kess berockt sind. Die Jungunternehmerin Eva Pawlak spielt Golf, seitdem sie 11 ist. Nicht ihr Vater, der stadtbekannte Fachhändler für Unterhaltungselektronik, führte sie in das Golfspiel ein – es war umgekehrt –, sondern eine Freundin nahm sie mit in den Golfclub Heidhausen, und Eva Pawlak entdeckte den Sport fürs Leben.
Schon als Mädchen mochte sie, was sie heute noch genießt: den komplexen, aber beherrschbaren Bewegungsablauf, die konzentrierte Ruhe, die von dem Spiel ausgeht, den herrlich weitläufigen Platz mitten im Landschaftsschutzgebiet mit Teichen und Bachläufen und alten Bäumen, in deren Kronen sich der Wind verfängt. Als Eva Pawlak und ihr Partner jüngst aus dem Portugal-Urlaub zurückkam, seufzten beide übereinstimmend: „Ach, ist das schön, wieder zu Hause zu sein.“ Sie findet, dass ihre Sonnenterrasse zwischen Werden und Bredeney ebenso wie ihr zweites Zuhause, der Golfplatz, den Vergleich mit bevorzugten Lagen, wo auch immer, keineswegs zu scheuen brauchen.
10 Hektar großer Golfplatz
Sogar nach dem Genuss portugiesischer Golfplätze mit Meerblick hat sie sich auf ihren Heimatplatz gefreut. Mit 80 Hektar ist Essens einziger 27-Loch-Platz um 10 Hektar oder 100 000 Quadratmeter größer als der Grugapark. Er wurde 1970 nach Plänen des britischen Golfplatzarchitekten Donald Harradine angelegt, der es verstand, die Spielbahnen harmonisch in das hügelige Gelände einzufügen. Bis zu 100 Meter Höhendifferenz bedeuten auch für gute Spieler eine Herausforderung.
Eva Pawlak meistert sie, meistens. Die Gedanken mit aller Kraft auf Ball, Schläger und Spielbahn zu fokussieren ist, sagt sie, die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Golfrunde – und für ihre geradezu heilsame Wirkung. Jeder Ärger ist sofort vergessen, jede Last weicht augenblicklich der Konzentration auf den Winkel, in dem der Schlägerkopf den kleinen weißen Ball trifft und ihm je nach Rotationsrichtung Auftrieb gibt oder ihn seitwärts ablenkt. Dieser Sport ist für Eva Pawlak, die auch Tennis gespielt und Yoga erprobt hat, der schönste der Welt, denn er befreit sie wie nichts anderes von den Kümmernissen des Alltags und versetzt Kopf und Sinne in einen Zustand der Unbeschwertheit.
Die junge Frau neigt eigentlich nicht zu Schwärmereien. Sie ist ein natürlicher, bodenständiger Typ, klein und zierlich, aber mit festem Gang und Händedruck. Klar wird sie das Geschäft der Eltern übernehmen, nicht nur weil sie ihr einziges Kind ist. Seitdem sie denken kann, begeistert sie sich für die Produkte, für Design und Technik, für die Möglichkeiten akustischer und ästhetischer Optimierung. Der kaufmännische Sachverstand kam erst später hinzu.
„Der sportliche Charakter des Spiels wird von Nicht-Golfern völlig unterschätzt“
Die Juristin und Betriebswirtin ist in die Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit des Unternehmers hineingewachsen und kann sich kaum etwas anderes vorstellen. Dem umfangreichen, komplizierten und unnachsichtig durchgesetzten Regelwerk des Golfspiels unterwirft sie sich trotzdem. Warum? „Weil ich einen Sinn darin sehe“, sagt sie.
Nichts bleibt beim Golf dem Zufall überlassen. Weite, Höhe, Drehgeschwindigkeit des Balls sind kalkulierbar, wenn man nur genug geübt hat und jeden nächsten Schlag genau in den Mittelpunkt des Denkens, Fühlens und Wollens rückt. „Der sportliche Charakter des Spiels wird von Nicht-Golfern völlig unterschätzt“, weiß Eva Pawlak. „Niemand, der das nicht kennt, kann ermessen“, sagt sie, „welche mentale Anstrengung ein gutes Spiel kostet.“
Und auch körperlich wird den Heidhausener Spielern einiges abverlangt. Vier bis fünf Stunden die grünen Hügel hinauf und herunter, nicht schlendernd und plaudernd, sondern zielstrebig und raschen Schrittes, das hält fit. Nein, das kann nicht jeder halten, wie er mag. Auch die Bewegungsgeschwindigkeit auf dem Platz, die Position der Golftasche oder die Lautstärke eines Gesprächs unterliegen, wenn schon nicht Vorschriften, so doch zumindest einer Erwartungshaltung, der Golfetikette, der man sich nicht ohne Nachteile entziehen kann.
Platzerlaubnis muss erworben werden
„Vielleicht sieht das für Außenstehende ein bisschen nach Überregulierung aus“, mutmaßt Eva Pawlak, „aber die vielen Bestimmungen sind kein Selbstzweck, sie dienen alle dem Fairplay – so wie die Verkehrsregeln der Sicherheit auf den Straßen.“ Deshalb muss auch jeder angehende Golfspieler eine Art Führerschein, hier Platzerlaubnis genannt, erwerben und dazu eine theoretische und eine praktische Prüfung ablegen. Dann erst darf er an Turnieren teilnehmen, die im Sommer fast jeden Sonntag ausgerichtet werden, und mit jedem erfolgreichen Spiel sein Handicap verbessern.
Das Handicap ist eine Kennzahl, welche die ungefähre Spielstärke des Golfers angibt. Um nichts anderes geht es bei den Turnieren als um Ehre und Ehrgeiz. Eva Pawlak ist ihr Handicap 14 nicht in den Schoß gefallen. Drei- bis viermal die Woche wird trainiert und im Urlaub täglich. Ob in Irland oder Portugal, Florida oder Frankreich, erst der kleine weiße Ball macht den Urlaub zu einer runden Sache. Immer dabei ist ihr Lebensgefährte. Er teilt ihre Leidenschaft – und ihre Meinung, dass man auf dem Golfplatz eine Menge lernt, was auch im Geschäft und in der Liebe von Nutzen sein kann.