Essen. „Fast jede Nacht Graffiti-Schmierereien auf den frisch gestrichenen Wänden des Osttunnels und vollgepinkelte und zugemüllte Ecken“ - nicht nur Leser Ulrich Bornschein ist der Osttunnel am Essener Hauptbahnhof ein Dorn im Auge. Zudem wurden im Zuge der Sanierung die Überwachungskameras entfernt.
„Das kann unmöglich der Essener Hauptbahnhof sein.“ Ist er aber. Genauer gesagt befindet sich die 21-jährige Hannoveranerin, die eben noch einen augenscheinlich schweren Koffer die Treppen von Bahnteig 11 hinab in den Osttunnel hievte, am Ausgang Helbingstraße.
Einen Aufzug gibt es dort nicht. Stufen führen hinab zur Freiheit. Links geht’s über eine Brücke zur Weiglestraße. Darauf, darunter, daneben Müll, Scherben, Kippen. Leicht desorientiert beschreibt sie in ihr Handy, was sie da sieht. „Ja, da ist rechts ein Parkhaus.“ Gefolgt vom Satz: „Ach, da geht’s also zum Hauptbahnhof.“ Mit Mühen hievt sie den Koffer erneut Stufen hinab und entschwindet um die Ecke, derweil rechts unterhalb der Stufen ein junger Mann gegen eine Mauer uriniert.
"Unser Grundstück endet am Tunnelausgang"
Lang muss man sich also nicht fragen, wo der Ursprung des Uringeruchs ist, der durch den Eingang des Osttunnels wabert. Einen Einfluss darauf, das bedauert Dirk Pohlmann, Sprecher der Deutschen Bahn in NRW, habe man nicht. „Wo viele Menschen zusammen kommen, muss man darauf bauen, dass sie sich an gewisse Spielregeln halten.“
Doch das tut der Fahrgast nicht immer. So sind die Wände mit Graffiti beschmiert und die schmuddeligen farbverschmierten Geländer an Treppenaufgang und Brücke erinnern Fußgänger beim Verlassen des Tunnels eher daran, Abstand zu suchen, statt sich festzuhalten. Doch sind dies Missstände, die der Bahn nicht anzulasten sind. „Unser Grundstück endet am Tunnelausgang“, sagt Pohlmann.
Freier Ausblick auf eine wilde Müllkippe
Die Stadt wiederum hält ihren Grund an der Freiheit sauber. Für Probleme sorgen die schlecht zugänglichen Flächen, an denen sich der Dreck hinter Büschen sammelt. Von unten nicht einsehbar, hat man von der Brücke freien Ausblick auf die wilde Müllkippe am Brückenende Weiglestraße. „Was für eine Visitenkarte für Essen“, moniert Leser Ulrich Bornschein die Dreckecken. Denn „leider verirren sich dorthin immer auch ortsfremde Reisende“.
Unsicherer Osttunnel
Dabei beschränkt seine Kritik sich nicht einzig auf die Außenflächen. „Fast jede Nacht Graffiti-Schmierereien auf den frisch gestrichenen Wänden des Osttunnels und vollgepinkelte und zugemüllte Ecken“, zählt Bornschein auf. Doch gibt es kaum noch „dunkle Ecken“ im Tunnel. Vier Mülleimer, eine Notrufsäule. Ansonsten haben Kehrwagen freie Bahn im Kampf gegen Urin und Unrat. „Vor dem Umbau stand am Ausgang Helbingstraße noch ein Süßwarenautomat, das war die reinste Dreckecke“, sagt ein Anwohner, der täglich durch den Tunnel geht.
"Früher war es hier heller"
Für den Unmut seiner Gattin sorgen hingegen die abgehängten Decken. Nicht mehr als 2,35 Meter Deckenhöhe hat der Tunnel an vielen Stellen. „Das wirkt sehr bedrückend auf diesem schlauchförmigen Stück. Früher war es hier heller“, sagt sie. „Vor der Renovierung des Osttunnels gab es dort Videoüberwachung, die aber entfernt wurde“, sagt Bornschein. Pohlmann hält dagegen: „Die Sanierungsarbeiten sind noch nicht abgeschlossen.“ Derzeit arbeite man an der Elektrik, „im Anschluss werden auch wieder Kameras im Tunnel aufgehängt.“
Keine Rationale Gründe für die Angst
Ein Stück Kontrolle, das Wildpinkler, Graffiti-Sprayer und all jene, die ihren Unrat einfach in den Tunnel werfen, von ihrem Tun abhalten könnte. Und die Kameras könnten dazu beitragen, das subjektive Sicherheitsempfinden all jener, die den Tunnel nutzen, wieder zu erhöhen. Rationale Gründe, dies betonen sowohl Pohlmann nach Rücksprache mit der Bahn-Sicherheit, als auch Essens Polizeisprecher Peter Elke, gibt es für diese Angst nicht: „Uns liegen keine Hinweise auf steigenden Vandalismus, Diebstahl oder Schlägereien vor“, sagt Elke.
Es sind dies objektive Betrachtungen, gleichwohl der Passant in den Abendstunden beim Durchqueren des verlassenen Tunnels zur Beruhigung kaum die Kriminalitätsstatistik zur Hand haben dürfte. Womit das subjektive Empfinden obsiegt.