Essen. . An Karfreitag sind Tanz und Musik verboten, doch daran hielten sich nicht alle Clubs. Wir begleiteten das Ordnungsamt in Essen. Dort musste der Club „Naked“ schließen. Dem Inhaber droht eine hohe Strafe.

Kann denn Tanzen Sünde sein? Das fragen sich wohl die rund 300 Partygänger im „Naked“, als sie in der Nacht von Karfreitag auf Samstag kurzer Hand vor die Discotüren gesetzt werden. Denn „musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art“ sowie Tanz sind per Gesetz am „stillen Feiertag“ nicht erlaubt – auch nicht an der Rottstraße. Sonderregelungen gibt’s nicht. Dass in diesem Jahr besonders darauf geachtet wird, dass sich Inhaber von Bars und Diskotheken daran halten, hat Günther Kraemer im Vorfeld deutlich gemacht – und stichprobenartige Kontrollen angekündigt.

„Gesetz ist nun mal Gesetz. Und wir müssen in Essen dafür sorgen, dass es auch eingehalten wird“, sagt der Leiter des städtischen Ordnungsamts. Die NRZ hat seine Mitarbeiter am Karfreitag bei ih­rer Tour durch die Kneipen- und Discos begleitet und auch mit Gästen und Betreiber gesprochen, die vom „stillen Feiertag“ wenig halten.

Werbung im Internet, auf Flyern und Plakaten

Foto: Ulrich von Born
Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Es ist 22.30 Uhr, als für zwei Teams des Ordnungsamts mit jeweils drei Mitarbeitern die Nachtschicht beginnt. Der ei­ne Trupp wird im Südviertel und in Rüttenscheid kontrollieren, der andere im Essener Norden und in der Innenstadt. Die Ordnungshüter treffen sich am Parkplatz ei­nes Fast-Food-Restaurants an der Helmut-Käutner-Straße. Um sie in ihrer Ar­beit nicht zu gefährden, bleiben ihre Namen anonym. Die Mitarbeiter sind in zivil unterwegs, in einem privaten Auto. „Einige haben im Internet angekündigt, dass sie Party machen“, sagt Rüdiger Hoffmann*. Andere hätten Plakate aufgehängt und Handzettel verteilt oder ausgelegt.

In den großen Läden wollen die Mitarbeiter des Ordnungsamts zweimal vorbei schauen, „einmal zur Feststellung; da gehen wir rein. Und ein weiteres Mal, um nachzuschauen, ob die Clubs wirklich geschlossen haben“, sagt Daniel Stelter*. Erster Halt ist der „Delta Musik Park“, der im Internet darauf hingewiesen hatte, dass die Disco am Gründonnerstag und am Karfreitag wegen des Feiertagsgesetzes nicht geöffnet werde. „Aber das heißt oft nichts. Manche wollen uns damit nur verwirren und machen trotzdem auf“, weiß Stelter aus Erfahrung.

Ein Dutzend macht Party auf dem Delta-Parkplatz

Das Bild zeigt den Aushang auf Deutsch und Russisch an einer Gaststätte an der Schützenbahn. Foto: Ulrich von Born
Das Bild zeigt den Aushang auf Deutsch und Russisch an einer Gaststätte an der Schützenbahn. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Und in der Tat: Am „Delta“ ist wirklich etwas los. Ein Dutzend Feierwütige trifft sich auf dem Parkplatz, bei Bier, Wein und lauten Beats aus dem Kofferraum eines Wagens. „Das Ordnungsamt der Stadt Essen, ei­nen wunderschönen guten Ab­end. Bitte machen sie die Musik aus“, heißt es wenig später. Mit Taschenlampen leuchten Hoffmann und seine Kollegen den Platz aus und verschaffen sich Überblick. „Wir arbeiten alle im Delta, aber da ist heute keine Party“, erklärt ein junger Mann. Sie hätten ihre kleine Feier im Internet übers soziale Netzwerk Facebook angekündigt, würden aber, weil Karfreitag ist, „nicht so laut machen“ und ihren Müll anschließend weg räumen. „Sonst gibt’s Ärger vom Chef“, so ein anderer.

Stelter kann sie trotzdem nicht weiterfeiern lassen: „Bitte verlassen sie den Platz.“ Alle sind einsichtig und packen zusammen. Am Ende sollen die Flaschen und der Müll doch liegen bleiben; eine Party findet im „Delta“ am späteren Abend wirklich nicht statt.

Die „TempleBar“ am Salzmarkt verzichtet an Karfreitag auf eine große Party. Foto: Ulrich von Born
Die „TempleBar“ am Salzmarkt verzichtet an Karfreitag auf eine große Party. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Als nächstes steht die „RememBar“ im Univiertel auf der Liste. Trotz des Feiertags hat Fatih Ücüncü die Shisha-Bar geöffnet. Hoffmann und seine Kollegen weisen ihn kurz darauf hin, dass laute Musik und Tanz verboten sind, doch das weiß der Wirt selbst. „Bei mir ist alles ruhig. Ich nehme das Gesetz ernst“, so Ücüncü. Er macht alles richtig; mit einem Bußgeld muss er daher nicht rechnen. Ein paar Schritte weiter, im „Kunst und Kultur Cafe“ (KKC) sind die Rollläden unten. „Hier ist nichts los; wir fahren weiter in den Norden“, so Hoffmann. In der Disco „Nachtschicht“ sei über das Internet eine Party angekündigt. „Das schauen wir uns genauer an“, sagt der Kontrolleur. Aber falscher Alarm – an der Bamlerstraße ist nichts los.

Partys in der Essener Innenstadt

Eilig geht es weiter zur „Zeche Carl“. Doch die einzigen, die dort Party machen sind die Kaninchen auf dem Rasen. Sie hoppeln den Mitarbeitern des Ordnungsamts fast vors Auto. In der Innenstadt sollen hinge­gen gleich mehrere große Partys steigen, unter anderem im „Naked“. Bereits aus der Entfernung ist die Musik aus der Disco zu hören; vor dem Laden hat sich eine Schlange von gut einem Dutzend Feierwilligen eingereiht. Ein Türsteher empfängt die städtischen Mitarbeiter mit dem Spruch: „Ich habe damit gerechnet, dass ihr hier vorbeikommt.“

Hoffmann und seine Kollegen wollen mit der Inhaberin reden. Sie beantwortet mehr oder weniger freudig alle Fragen. „Wie viele Gäste sind im Club? Wie viele erwarten sie noch? Was kostet der Eintritt?“, will das Ordnungsamt wissen. Stelter nimmt ihre Personalien auf und auch die des Organisators der „Vocal Hou­se Club Night“, der zur Party geladen hat.

„Der totale Stimmungsdämpfer“

Im „Faces“ am Salzmarkt ist die Musik zu laut. Die Personalien des Inhabers werden aufgenommen. Foto: Ulrich von Born
Im „Faces“ am Salzmarkt ist die Musik zu laut. Die Personalien des Inhabers werden aufgenommen. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Ob am Ende ein Bußgeld verhängt wird und wie hoch es ist entscheiden die Mitarbeiter aus dem Innendienst. Bei 150 Euro wird’s, falls das „Naked“ zahlen muss, sicher nicht bleiben. „Dieser Betrag wird fällig, wenn nur ein Gast in der Disco ist und alleine tanzt“, scherzt Hoffmann. Neben dem Bußgeld könne außerdem der Gewinn des Abends eingezogen werden. „Ich halte vom Gesetz nichts. Es wird Zeit, es endlich abzuschaffen“, ärgert sich Mitinhaber Karl Burgath. Er zahle genug Steuern, klagt er, und komme sich „langsam vor wie in der DDR“. Burgath: „Wer Karfreitag nicht feiern will, bleibt sowieso zu Hause.“ Geschlossen wird die Disco vom Ordnungsamt jedoch nicht.

Ruhestörung durch "Naked" an Karfreitag

Dafür sorgt wenig später die Polizei. Ein Nachbar des „Naked“ hatte gegen 1.30 Uhr angerufen und sich wegen Ruhestörung beklagt. Kurzer Hand rücken die Beamten aus und schließen den Laden. „Der DJ hat eine Durchsage gemacht, noch ein paar Lieder gespielt, dann mussten wir raus – der totale Stimmungsdämpfer“, sagt Jana Steinmetz (20) von der Margarethenhöhe, die mit vier Freunden eigentlich nur Party machen will.

Bilanz der Nachtschicht: In­sgesamt stellt das Ordnungsamt in fünf Betrieben Verstöße fest, in zwei Fällen mit lauter Musik, die bis auf die Straße zu hören ist. „Alles in allem sehr wenig. Ich habe mit mehr gerechnet“, sagt Hoffmann.

Nicht alles ist erlaubt

„Stille Feiertage“ sind Allerheiligen, Totensonntag, der Volkstrauertag und Karfreitag. Was an diesen Tagen untersagt ist, regelt das NRW-Feiertagsgesetz. An Karfreitag gelten die strengsten Re­geln. Verboten sind: Sportliche und ähnliche Veranstaltungen, Märkte, gewerbliche Ausstellungen, der Betrieb von Spielhallen sowie die gewerbliche Annahme von Wetten, Pferderennen und -leistungsschauen, Volksfeste, der Be­trieb von Freizeitanlagen, so­weit tänzerische oder artistische Darbietungen angeboten werden, Zirkus und alle der Unterhaltung dienen­den öffentlichen Veranstaltungen inklusive Tanz. Die Verbote gelten in der Zeit von Karfreitag 5 Uhr, bis zum nächsten Tag, 6 Uhr, mit Ausnahme der Großmärkte, die bereits ab 3 Uhr wieder öffnen dürfen.

* Name von der Redaktion geändert