Essen. Müssen Kleingärtner dafür bezahlen, wenn ihre Straße saniert wird? Die Stadt Essen sagt unter bestimmten Voraussetzungen: „Ja“. Dagegen gehen die Laubenpieper auf die Barrikaden. „Soll die Stadt uns ruhig verklagen“, sagt einer von ihnen stellvertretend für viele.
Aufgeheizt ist die Stimmung im bis zum letzten Platz besetzten Saal des Katernberger Gemeindehauses. Mehr als 150 wütende Kleingärtner sind vergangenen Mittwoch dem Aufruf ihres Stadtverbandes gefolgt, um gegen die erhobenen Straßenausbaukosten, die sie laut Bescheid der Stadt zahlen sollen, zu protestieren.
„Wir fühlen uns von der Stadt hintergangen. “, beginnt Heinz Schuster die Versammlung und was folgt, ist ein polemisches Donnerwetter gegen Politik und Verwaltung. Es ist der Paragraf 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, der den Vorsitzenden des Stadtverbandes der Kleingärtnervereine so in Rage bringt. Danach ist geregelt, dass die Stadt die Kosten für eine neu gebaute oder verbesserte Straße anteilig an die Anlieger weitergeben kann. Dazu zählen auch die Kleingärtner, deren grünes Idyll an Straßen angrenzt.
Vor zwei Jahren entbrannte Diskussion
Bereits vor zwei Jahren entbrannte eine Diskussion zwischen dem Verband und der Stadt; damals sollten die Laubenpieper der Anlage Bernetal an der Ellernstraße in Altenessen zur Kasse gebeten werden. Nach heftiger Debatte verabschiedete der Rat der Stadt 2010 eine Resolution zur Befreiung der Kleingärten von den Gebühren, wie es schon in anderen Ruhrgebietsstädten und Bundesländern praktiziert wird Die Änderung des entsprechenden Gesetzes sollte der Landtag vornehmen; die ergangenen Zahlungsbescheide sollten bis dahin ausgesetzt werden.
Doch jetzt landeten neue Bescheide in Höhe von insgesamt rund 40 000 Euro in den Briefkästen der Kleingärtner des „Bernetals“ und der „Grünen Aue“. Grün und Gruga, die zuständige Verwaltungsstelle, begründet die Zahlungsaufforderung mit dem Argument, dass der Ratsbeschluss 2010 nicht für die Kleingärten auf privatem Boden gilt.
„So viel Geld habe ich nicht. Dann muss ich meinen Garten aufgeben“, klagt Willi Chucher. Seit 37 Jahren pflegt der inzwischen 85-Jährige sein Gartenidyll an der Zollvereinstraße, den er „meinen Jungbrunnen“ nennt. Auch Christel Vierling, Vorsitzende des Kleingartenvereins Grüne Aue, versteht die Welt nicht mehr: „Die meisten unserer Mitglieder beziehen nur kleine Renten. Da läuft was völlig falsch.“
„Juristisch ist die Unterscheidung zwischen privaten und städtischen Grund und Boden richtig“, erklärt Klaus Koglin, zuständiger Ansprechpartner bei Grün und Gruga, auf Nachfrage. Er bedauert, nicht zur Protestveranstaltung geladen worden zu sein. Schließlich, so Koglin, habe man bereits dem Stadtverband die Stundung der Zahlung bis zum Landtagsentscheid, der immer noch auf sich warten lässt, in Aussicht gestellt. Nun sei der Verband am Zug, müsse einen entsprechenden Antrag stellen.
Politik entscheidet
„Das werden wir nicht tun, wir verweigern die Zahlung“, kontert Klaus Nötzold, Vize- Vorsitzender des Kleingartenverbandes. Denn für die Stundung der Beträge müsse man monatlich 0,5 Prozent Zinsen zahlen. „Soll die Stadt uns ruhig verklagen“, wettert Nötzold und 150 Kleingärtner geben ihm mit Beifall recht.
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„Ich hoffe, dass es nicht soweit kommt“, sagt Koglin und zeigt Verständnis für den Zorn der Kleingärtner: „Wenn man die Summen sieht, wird einem schwindelig.“ Koglin hofft, dass sich die Gemüter beruhigen und man miteinander spricht, um eine Lösung zu finden. Entscheidungen kann allerdings nur die Politik treffen.