Essen. Nach fast 400 Jahren endet die Geschichte der Jesuiten in Essen. Die drei noch in St. Ignatius verbliebenen polnischen Patres verlassen die Stadt Ende Juli. Die Kooperation mit Polen läuft aus, weil es in Deutschland zu wenig Nachwuchs für den Orden gibt. Die Gemeinde St. Ignatius ist betrübt - und vermisst mehr Engagement des Bischofs.

Knapp 400 Jahre wirkten die Jesuiten in Essen. Ende Juli endet diese Ära: Die Jesuitenresidenz St. Ignatius wird geschlossen. Für die drei noch in Holsterhausen lebenden polnischen Jesuiten-Patres und die Gemeinde, in der sie in den vergangenen Jahren wirkten, zweifellos ein trauriges Datum. Der Leiter, Pater Christian Berndt (69), nimmt die Entscheidung der Ordensoberen nach außen hin professionell: „Wenn ich abberufen werde, gehe ich zurück. Das ist Entscheidung des Provinzials.“ Der Oberschlesier deutscher Abstammung war vor neun Jahren aus Krakau nach Essen geschickt worden, um hier „Hilfe zu leisten und im Rahmen des Kooperationsvertrags die Zusammenarbeit mit den deutschen Jesuiten auszubauen“ - und fand mit seinen beiden polnischen Mitbrüdern Krystian Jung und Wieslaw Grabski nicht nur in Holsterhausen viele Freunde.

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„Die Patres bedeuten uns sehr viel. Ich selbst gehöre zu denen, die extra anreisen, um in St. Ignatius die Messe zu besuchen“, sagt Iris Vollrath-Schreckenberg, die sich mit rund 20 Aktiven für den Verbleib der Jesuiten einsetzt. „Seit wir im Herbst letzten Jahres von den Plänen gehört haben, treffen wir uns zum Beten und haben rund 600 Unterschriften gesammelt und an den Bischof geschickt“, sagt die Zahnärztin.

Bemühungen des Bischofs vermisst

„Die Patres sind ein echter Schatz. Sie haben ihre ganz besondere Frömmigkeit, ihre ganz spezielle Liturgie mitgebracht und mit ihrer Arbeit in die Gesellschaft hineingewirkt“, bedauert Iris Vollrath-Schreckenberg die Entscheidung des Ordens. Durch die Patres sei die Kirche mit ihren besonderen Schätzen wie dem Gnadenbild immer zugänglich gewesen. „Ein Orden wie die Jesuiten muss hier im Ruhrgebiet einfach vertreten sein“, findet die engagierte Christin. „Wenn der Bischof die Bitte an den Orden gerichtet hätte, die Entscheidung noch mal zu überdenken, hätte man vielleicht noch eine Lösung finden können“, ist sie überzeugt.

Damit spricht sie dem emeritierten Hochschullehrer Hans Waldenfels (80), Essener Jesuit und Fundamentaltheologe, aus der Seele. Auch er vermisst Bemühungen des Bischofs, die Jesuiten in Essen zu halten, die erstmals vor rund 400 Jahren von der Fürstäbtissin gerufen worden waren. Mit der Holsterhauser Residenz verliere man die letzte Niederlassung zwischen Köln und Hamburg.

Waldenfels kann nicht verstehen, dass der Bischof trotz des Priestermangels keine Anstrengungen unternommen habe, die drei polnischen Patres anderweitig im Bistum einzusetzen. „Ich vermisse da die Gesprächsbereitschaft“, sagt Waldenfels.

"Allein Entscheidung des Ordens"

Ein Vorwurf, den Bistumssprecher Ulrich Lota zurückweist: „Dem Bischof sind in dieser Sache die Hände gebunden. Das ist allein die Entscheidung des Ordens, einziger Ansprechpartner ist der deutsche Provinzial.“ Nach Gesprächen mit dem Krakauer Provinzial Wojciech Ziolek, der Ende März zu Besuch in Essen war, sei klar geworden: „Die Entscheidung ist gefallen und wird nicht mehr zurückgenommen.“ Die Erklärung: Die deutsche Provinz könne aufgrund von Personalmangel keine Jesuiten mehr nach Essen schicken. Also sei der Aspekt der Kooperation nicht mehr gegeben. Eine rein polnische Niederlassung in Essen mache keinen Sinn und sei auch nicht zulässig.

Pater Christian Berndt akzeptiert die Entscheidung, befürchtet aber dennoch Schaden, auch im Hinblick auf die Geschichte des Ruhrgebiets: „Die polnische und deutsche Kultur sind immer mehr zusammengewachsen. Schade, dass auseinanderbricht, was so starke Wurzeln geschlagen hat.“ Er kann seine Enttäuschung nicht verbergen, dass der Bischof nicht den Krakauer Provinzial gebeten habe, die Patres doch in Essen weiterarbeiten zu lassen. „Dabei sind wir damals doch auf Initiative des Bischofs gerufen worden.“

Kopf hängen lassen oder näher zusammenrücken

Wie es mit St. Ignatius weitergeht, weiß Pater Berndt nicht. Die seelsorgerische Betreuung der über 3000 - vorwiegend älteren - Katholiken übernehme die Großpfarrei St. Gertrud. Die Kirche werde wohl erstmal erhalten bleiben. Ob es weniger Gottesdienste gebe, das Gemeindebüro bleibe - das werde die Zukunft zeigen. Aber: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder lässt die Gemeinde den Kopf hängen. Oder sie rückt enger zusammen, macht weiter, bleibt lebendig und nimmt das Gemeindeleben selbst in die Hand, was ich mir sehr wünsche“, blickt Pater Berndt in die Zukunft.

Bei aller Ungewissheit steht ein Termin schon fest: Am Sonntag, 1. Juli, wird mit einer Messe um 10.30 Uhr in St. Ignatius Abschied gefeiert. Und auch der Bischof Franz-Josef Overbeck und Provinzial Stefan Kiechle werden wohl dabei sein.