Essen. Einst waren sie Beichtväter und politischen Stirppenzieher der Essener Äbtissinnen und Protagonisten der Gegenreformation. Später waren sie als populäre Seelsorger Bismarck und den Nazis ein Dorn im Auge. Jetzt verlassen die Jeusiten Essen endgültig.

Fast 400 Jahre Jesuiten in Essen: Das ist eine Geschichte von Einladung und Vertreibung, von heute befremdlich anmutender politischer wie geistlicher Einflussnahme und nicht zuletzt von Unterricht, Seelsorge und Einsatz für viele Generationen von Essenern. Aber auch ein Spiegel der Kirchen- und Konfessionsgeschichte einer Stadt, die seit dem 16. Jahrhundert konfessionell gespalten ist.

Denn als die Fürstäbtissin Elisabeth von dem Berg 1613 durch eine Stiftung die Ansiedlung des Ordens in Essen ermöglichte, ging es vor allem darum, in der großenteils evangelischen Bürgerstadt (das bäuerliche Umland war katholisch geblieben) eine katholische Offensive zu starten. Die Jesuiten sollten vor allem in der Bildung eingesetzt werden (wie wenig später auch die Augustiner Chorfrauen der B.M.V.) und neben den Stiftskanonikern die Seelsorge ausüben - deshalb holte man im gleichen Jahrhundert auch die Kapuziner-Mönche in die Stadt. Kurzum: In Essen herrschte Gegenreformation.

Residenz am Burgplatz

Es gab Volksandachten, Mission und Unterricht in der damaligen Stiftsschule, die als Konkurrenz zur evangelischen Bürgerschule auch bei Nicht-Katholiken einen guten Ruf besaß. Bald saßen die Patres dicht am Machtzentrum in der „Burg“, der Zentrale das alten Stifts. 1742 bezogen sie eine prächtige Residenz am heutigen Burgplatz. Als Berater und Beichtväter der Äbtissinnen hielten sie besonders unter Franziska-Christine (1726 - 1776) auch politisch die Fäden in der Hand (zu lesen bei Ute Küppers-Braun in: Christen an der Ruhr).

Orden wurde 1773 aufgelöst

Die Patres nahmen aber auch Einfluss auf die neue Ausstattung von Münster- und Johanneskirche im prächtigen Barockstil. Davon haben nur wenige Stücke in der Johanneskirche, das Chorgestühl im Münster und zwei Heiligenbüsten in der Schatzkammer überlebt (zu lesen u. a. in Franz Arens: Die Essener Jesuitenresidenz). Mit der Auflösung des Ordens 1773 durch den Papst verließen die Jesuiten (nach einer ersten Vertreibung im 30-jährigen Krieg) Essen zum zweiten Mal, bevor sie 1872 im Kulturkampf von Bismarck und 1941 von den Nazis erneut bekämpft wurden.

Bismarck war der Orden, dem in Essen vor allem auch die katholischen Arbeiter zu Tausenden zuhörten, suspekt. Den Nazis waren die Patres ein Dorn im Auge, weil sie erfolgreich Jugendseelsorge betrieben. Wallfahrten, Exerzitien, Bildungs- und Einkehrtage vor allem auch für Schüler der höheren Schulen, mussten auf den Widerstand der Diktatur stoßen (zu lesen u.a. bei Hans Waldenfels, 375 Jahre Jesuiten in Essen).

Diese Arbeit nahmen die Patres nach dem Krieg in St. Ignatius wieder auf. Zuletzt verengte sich diese allerdings mehr und mehr auf die unmittelbare Kerngemeinde.