Essen. In Essen ist die FDP die schnellste Partei in Sachen Wahlplakate, obwohl die Genehmigungen noch gar nicht erteilt sind. Die Anderen werden schnell nachziehen.
Wem das Wasser bis zum Hals steht, der lernt ziemlich schnell schwimmen. Das ist wohl der Grund, weshalb die FDP es in diesen Tagen besonders eilig hat mit der Landtagswahlwerbung. Als erste Partei in Essen haben die Freidemokraten die Freiflächen in Essen geentert, und Spitzenkandidat Christian Lindner beherrschte jedenfalls gestern noch konkurrenzlos das Feld. „Eigentlich sind die Genehmigungen für die Plakate noch gar nicht erteilt und gehen erst nächste Woche raus“, rügt Rüdiger Lohse, Leiter des Essener Wahlamts, um seufzend zu ergänzen: „Aber das war schon immer so, dass die Parteien einfach vorpreschen“.
Ralf Witzel, Vorsitzender der Essener Liberalen, plagen bei diesem Vorgehen keinerlei Gewissenbisse: „Sechs Wochen vor dem Wahltermin darf traditionell mit der Plakatierung begonnen werden.“ Das „Windhundrennen um die besten Großstandorte“, so Witzel, sei schon deutlich vorher eröffnet worden, und die FDP habe sich frühzeitig in die Schlacht geworfen, wobei eine nach Wahlerfolg festgelegte Verteilung und die Kosten dafür sorgen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Von den laut Wahlamt rund 500 genehmigten Großplakat-Standorten in Essen haben die Liberalen nur 20 für sich. „Wir hätten wohl auch 30 haben können, aber das lassen unsere Finanzen nicht zu“, bedauert Witzel.
Noch in dieser Woche folgen die kleinen Laternen-Ständer
Rund 400 Euro kostet die Parteien ein Großstandort, Auf- und Abbau erledigen Profi-Firmen. Die Stadt achtet laut Lohse darauf, dass die Plakatwände wirklich nur an genehmigten Stellen entstehen und nicht etwa wichtige Blickachsen im Straßenverkehr verstellen. Fatal wäre es, würden der smarte Herr Lindner oder andere Bewerber Unfallgefahren heraufbeschwören...
Noch in dieser Woche werden wohl auch die kleinen Laternen-Ständer mit den Doppel-Plakaten das Stadtbild erobern. Amtschef Lohse schätzt auf Basis früherer Wahlen, dass es in Essen rund 10.000 davon geben wird. Engagierte Parteimitglieder, sofern noch vorhanden, legen hier in ihrer Freizeit oft selbst Hand an, leider haperte es in der Vergangenheit manchmal mit dem Abbau.
Nach der letzten Kommunalwahl 2009 zierten monatelang einzelne vergessene Doppelständer die Straßen, mancher Bürger empfand das als optische Umweltverschmutzung. „Im Anschluss an die Landtagswahl 2010 hat das besser geklappt, darauf setzen wir auch diesmal“, sagt Lohse, der im Übrigen Gelassenheit empfiehlt: „Wahlwerbung gehört eben zur Demokratie, da muss man als Bürger durch.“
Chancen für kleine Gruppen und Exoten
Welche Partei wie viele Klein-Plakatstandorte belegen darf, hängt von der Gesamtzahl der Parteien ab, die sich ins Rennen begeben. „SPD und CDU bekommen derzeit jeweils sieben Prozent, allen anderen steht jeweils mindestens rund 3,5 Prozent zu“, sagt Lohse.
Auch kleine Gruppierungen und Exoten sollen so die Chance haben, im Straßenbild auf sich aufmerksam zu machen, wobei die Stadt einräumt, dass sie solche detaillierten Regelungen eigentlich nicht wirksam kontrollieren kann. Lohse: „Wir greifen nur ein bei Verstößen gegen die Verkehrssicherungspflicht.“ Wenn Plakatständer auf dem Gehweg das Durchkommen mit Kinderwagen verhindern, muss die verantwortliche Partei das binnen 24 Stunden richten. „Sonst machen wir es und holen uns das Geld von der Partei zurück“, so Lohse.
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Neben der leidigen Plakat-Frage hat das Wahlamt derzeit alle Hände voll zu tun, die nötige Zahl an Wahlhelfern zu rekrutieren. 2600 werden gebraucht, 1000 fehlen noch. Die 1600 Freiwilligen sind meist engagierte Menschen, die es als Bürgerpflicht empfinden, sich dem Staat am Wahltag zur Verfügung zu stellen - und bei maximal 40 Euro Aufwandsentschädigung für den Vorsteher eines Wahllokals ist das wirklich ein Ehrenamt.
Rüdiger Lohse hofft noch auf weitere Freiwillige. Und wenn das nicht fruchtet? „Dann müssen wir auf unsere eigenen städtischen Mitarbeiter und die Mitarbeiter anderer Behörden wie etwa der Finanzämter zurückgreifen.“ Große Teile des Wahlsonntags sitzt man dann im Wahllokal, Vorstand und Schriftführer erhalten noch eine Schulung am Samstag davor. Gibt’s wenigstens was zu essen? Lohse kann nur verneinen: „Sein Butterbrot muss jeder mitbringen.“