Essen. .
Sie sind mutig, haben Ideen und packen lieber selbst an, als über zu wenig Platz für Kreative zu lamentieren: Wie vier Mittzwanziger am Essener Mechtenberg mit dem Kreativdorf ein Heim für Musiker, Künstler und Trendsportler schaffen wollen.
Julian Kuhnle, Pablo Giuggioloni, Marcel Bauch und Dustin Neuwaldt sind das, was man gemeinhin als Macher bezeichnet. Die vier jungen Männer lamentieren nicht über zu wenig Platz für Kreative, sie schaffen ihn einfach selbst: Auf dem Gelände der alten Zeche Bonifacius am Mechtenberg entsteht seit einem Jahr ein Kreativdorf, das Musikern, Künstlern und Sonnenhungrigen ein Zuhause bietet.
Das Gelände erinnert ein wenig an die Szene-Locations in Berlin: Unkraut wuchert auf dem Vorplatz, etwas Rost frisst sich an der Außenfassade der Halle entlang, im Eingangsbereich begrüßen zwei Werke des Streetart-Künstlers Add Entry die Besucher. Ein Rodelschlitten steht wie ein Fremdkörper auf der Düne des Stadtstrandes, nebenan liegt ein Surfbrett recht einsam unter bewölktem Himmel. Der Strand ist das Herzstück des Kreativdorfs. Mehr als 100 Tonnen Sand vom Halterner See schaffte das Quartett dafür auf das Areal hinter dem Gebäude, das früher einen Schrottplatz beherbergte. Den Charme der alten Industriehalle, die mit Kokerei und Alu-Hütte eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat, wollen die vier Jung-Unternehmer erhalten.
„Wir wollen ein urbanes Dorf aufbauen, in dem genug Raum für kreative Entfaltung ist“
„Es wird hier nichts planiert oder auf Hochglanz poliert. Wir wollen ein urbanes Dorf aufbauen, in dem genug Raum für kreative Entfaltung ist“, sagt Marcel Bauch. Der 25-Jährige ist Sprecher der Gruppe, die die Vision des Kreativdorfs schon lange vor dem Kulturhauptstadtjahr ausbrütet. Aus der Bewerbung als Ruhr.2010-Projekt wird nichts, davon lassen sich die Vier jedoch nicht entmutigen. Denn das nötige Know How und den Mut bringen sie alle mit: Bauch studierte Marketing und Kommunikation, Kuhnle und Giuggioloni arbeiten als Bühnen- und Veranstaltungstechniker am Aalto-Theater, Neuwaldt ist seit Kurzem Chefkoch im Haus am See.
Strand in der Stadt
Bislang haben die Mittzwanziger alles in Eigenregie umgesetzt, hoffen aber dennoch auf potenzielle Sponsoren. Wichtig ist den Jung-Unternehmern dabei, unabhängig zu bleiben. „Für Fördermittel vom Land müssten wir diverse Gestaltungsvorschriften erfüllen. Das wollen wir aber nicht. Aalglatte Locations gibt es genug in Essen. Dieser Ort soll aus sich heraus wachsen, ohne das uns jemand etwas vorschreibt“, sagt sich Marcel Bauch.
Bei der Realisierung des Kreativdorfs stand dem engagierten Quartett Werner Rittmann zur Seite, Eigentümer des Areals. Auch in Duisburg vermietet er Räume an junge Bands, ist aktiv in der Förderung von Nachwuchsmusikern. Rittmann kam den Kreativdorf-Machern neben Kontakten mit einer recht niedrigen Pacht entgegen.
Proberäume beliebt bei Nachwuchs-Bands
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Und die Vier haben noch eine Menge vor, sobald der „Papierkram“ wie Dauergenehmigung der Stadt und Gründung einer auch als „Mini-GmbH“ bekannten UG abgeschlossen ist. Vor allem bei Nachwuchsbands ist das Kreativdorf beliebt: 35 Proberäume sind bislang entstanden und bereits belegt, 70 sollen es einmal werden. Die Nachfrage ist groß, schon jetzt stehen mehr als 30 Bands auf der Warteliste. „Gute und vor allem günstige Proberäume sind rar in Essen. Viele Musiker müssen in Kellern und anderen Bunkern spielen, oft ohne Heizung oder Fenster“, erklärt Marcel Bauch. In der Konzertreihe „Lauschgewitter“ bekommen die Bands in unregelmäßigen Abständen außerdem Gelegenheit, in der großen Veranstaltungshalle oder bei gutem Wetter während einer Strandsession vor Publikum zu spielen. Der Stadtstrand soll in den nächsten Wochen fertig gestellt werden, unter anderem wird das bereits ausgehobene Erdloch mit einem 5,60 mal 3,80 Meter großen Pool zum Leben erweckt.
Und auch auf der direkt an den Strand angrenzenden, 800 Quadratmeter großen Fläche tut sich etwas: Der Verein „Kreativ Wheels“, der sich nach Schließung der Funbox Amalie für Trendsportarten in Essen einsetzt, will dort bis zum Herbst einen Skatepark bauen. Die ersten, noch recht unscheinbaren Holzplanken sind bereits angeliefert, aus ihnen entstehen demnächst die ersten Rampen.
Zudem steht noch eine große, bislang ungenutzte Halle im Keller des Gebäudes zur Verfügung, sie soll den bisherigen Konzertraum ablösen. Doch das ist noch Zukunftsmusik - und die macht schon jetzt Lust auf mehr.