Essen. . Sie haben die Totenkopfflagge gehisst und sie segeln mit Rückenwind: Die Piratenpartei ist bundesweit im Aufwind, und auch in dieser Stadt heuern immer mehr Mitstreiter an. Auf 105 Mitglieder ist die Essener Crew inzwischen angewachsen. Das ist gleich aus zweierlei Gründen bemerkenswert.
Noch liegt es kein Jahr zurück, dass sich im Unperfekthaus an der Friedrich-Ebert-Straße ein Dutzend Neugieriger für den lokalen Stapellauf der Piraten zusammenfand. Und die Bindungskraft von Parteien lässt ansonsten nach.
Jung und erfolgreich, das macht sexy. Sind die Piraten also eine Ausnahme im Parteienspektrum?
Wenn der Wähler das scheue Wild sein sollte, als das ihn Ex-FDP-Generalsekretär Dirk Niebel einmal ausmachte, was ist dann das Parteimitglied? Augenscheinlich lässt es sich, um mit Niebel zu sprechen, ebenfalls nur schwer auf die Lichtung locken. Außer den Piraten taten sich auf lokaler Ebene alle anderen Parteien schwer, neue Mitstreiter zu gewinnen.
Enttäuschung nach der Bundestagswahl
Zulegen konnten immerhin die Grünen, wenn auch weniger stark als es der bundesweite Aufwärtstrend vermuten lässt. „Wir wachsen, wenn auch nur im Schneckentempo“, sagt Parteigeschäftsführer Joachim Drell - im vergangenen Jahr von 370 auf 390 Mitglieder. Die Energiewende unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima habe sicher dazu beigetragen, ist Drell überzeugt. Grün liegt im Trend.
Den bekommt auch die Niebel-Partei, die FDP, zu spüren. So ist Essens Parteichef Ralf Witzel beim Blick auf die Mitglieder-Statistik schon froh darüber, dass sein Kreisverband 2011 mit einem blau-gelben Auge davon gekommen ist. 17 Mitglieder verloren die Liberalen und schrumpften auf 347. Mit einem Minus von 4,7 Prozent sei der Rückgang 2011 weniger deutlich ausgefallen als befürchtet, gewinnt Witzel dem Verlust noch etwas Positives ab. Ein Jahr zuvor gaben sogar 71 Mitglieder ihr Parteibuch zurück. Witzel erklärt es mit der Enttäuschung nach der Bundestagswahl, was paradox klingt, sitzt die FDP doch auf der Regierungsbank. Viele hätten wohl gedacht, es werde über Nacht alles anders in Deutschland“, glaubt Witzel - und wachten verkatert auf.
Politische Auf- und Abwärtstrends lassen auch die beiden großen Parteien nicht unberührt, was die Mitgliederzahl betrifft, befinden sie sich aber im steten Sinkflug. 2803 Mitglieder zählte die CDU Ende 2011, ein Jahr zuvor waren es noch 2905. Der Rückgang, so heißt es in der Parteizentrale an der Blücherstraße, liege im Trend - im demographischen wohlgemerkt.
Sozialdemokratie ist überaltert
Stärker noch zu spüren bekommt dies die SPD. 4411 Mitglieder zählten die Sozialdemokraten zum Jahresende, 4731 waren es noch zwölf Monate zuvor, wobei sich Ein- und Austritte in etwa die Waage halten, wie Parteigeschäftsführer Arno Klare hervorhebt. Im Kommunalwahljahr 2009 legte die Partei statistisch sogar um sieben Mitglieder zu. Doch was fürs Ruhrgebiet gilt, gilt auch für die SPD: Essens Sozialdemokratie ist überaltert, 1001 Mitglieder sind älter als 70 Jahre.
Da fallen jene zwei Mitstreiter, welche die Linke 2011 verloren hat, statistisch kaum ins Gewicht. Unterm Strich sank die Zahl der Genossen links außen zum Jahresende auf 325. Wie Ralf Fischer vom Kreisverband nachhielt, hatten 20 Mitglieder genug, nachdem öffentlich geworden war, dass sich Ratsherr Wolfgang Freye und Fraktionssprecher Hans-Peter Leymann-Kurtz eine handfeste Auseinandersetzung geliefert hatten.
Soll also niemand behaupten, die lokale politische Kompetenz liefere keine schlagende Argumente - für den Ein- wie für den Austritt in eine Partei.