Essen. . Die Debatte um den Soli und der Einwurf, die Städte sollten ihre Sparkassen um mehr Geld anzapfen, zeigt, dass das Thema Kommunalfinanzen das Wahlkampffeuer in NRW nährt. Anmerkungen zum Stadtgeschehen – ein Kommentar von Wolfgang Kintscher, Leiter der NRZ-Stadtredaktion Essen.

Lassen Sie sich das Wort auf der Zunge zergehen: „Gesamtkostenänderung“. Der Begriff taucht immer dann auf, wenn – wie Stadtdirektor Hans-Jürgen Best es dieser Tage in unnachahmlicher Lakonie formulierte – die Politik bei einem Projekt im Nachhinein noch Wünsche hat, und „wenn man diese Wünsche erfüllt, dann kostet das Geld, so ist das nun mal“.

Dass die Politik darauf nicht näher einging, schien einem, als sei sie ein wenig peinlich berührt. So, als habe man sie da wieder einmal mit dem Naschfinger im Marmeladenglas erwischt. Denn 186.000 Euro zusätzlich (es ging übrigens um den Umbau des Ehrenzeller Platzes in Altendorf), das ist zwar nicht die Welt, aber doch mehr als die über ein Jahr lang diskutierte Solariensteuer in die städtische Kasse spülen sollte. Egal, wir blechen davon ja nur 15.570 Euro, den Rest berappt der „Fördergeber“, das Land, das ja bekanntlich auch in Geld schwimmt.

„Aber es ist sinnvoll“, hört man die Befürworter sagen, die Mehrkosten bescheren einen höheren Ausstattungsstandard, mehr Sicherheit, mehr Inventar. Und was soll man da anderes entgegnen als: Na und? Es brummt einem ja der Kopf voller sinnvoller Projekte, aus denen allesamt nichts wird, noch nicht, weil einfach das Geld fehlt, aber manchmal tut diese Stadt so, als hätte der in die mittelfristige Finanzplanung geschriebene Etatausgleich im Jahre 2015 sich durch die Verewigung in Schwarz auf Weiß automatisch auch schon erfüllt.

Es ist richtig, dass Essen weiter in seine Infrastruktur investiert

Das führt zu seltsam asynchronen Debatten in den Ausschüssen des Stadtrates: Während „Grün und Gruga“ im Umweltausschuss erklärt, warum trotz exzellenter Kosten-Nutzen-Werte die Pflege des städtischen Grüns bei weiter gestutztem Zuschuss wird leiden müssen, fabuliert man im Planungsausschuss über eine Aufwertung des Baldeneysees mit beachtlichem Kostenaufwand, wenn denn nur ein Bruchteil der angedachten Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Wollen wir das? Und was wäre es uns wert, dass die Perle im Süden der Stadt gewienert wird, während in den Stadtteilen das Unkraut am Straßenrand wuchert? Wo bleiben eigentlich die Ergebnisse der von der CDU mit reichlich Tamtam begleiteten See-Umfrage, oder ist die Debatte um diese malerische Ecke der Stadt nur ein Kunstprodukt, das an den Bürgern eh vorbeigeht. Weil die wissen, dass sie dies werden bezahlen müssen?

Es ist richtig, dass Essen weiter in seine Infrastruktur investiert, aber solange die Stadt in dieser dramatischen Finanzlage steckt, muss sie sich sehr gut überlegen, ob nicht alle Investments unter dem Gesichtspunkt ersparter laufender Kosten stehen müssten. Dass die Gefahr der Verschuldung erkannt wurde, heißt nicht, dass sie auch gebannt ist. In den letzten Wochen hat Kämmerer Lars Martin Klieve der „Zeit“, dem „Spiegel“ und der „Financial Times Deutschland“ in den Block diktiert, in welcher Schieflage die Stadt Essen steckt: Wer über 3,1 Milliarden Euro Schulden hat, darunter 2,1 Milliarden als kurz- bis mittelfristige Liquiditätskredite, der ist auf Gedeih und Verderb auf die Zinsentwicklung angewiesen, darauf, dass die Banken einem weiter Kredit geben.

Die (alles andere als neue) Debatte um den Soli und der platte Einwurf, die Städte sollten doch kurzerhand ihre Sparkassen um mehr Geld anzapfen, zeigt, dass das Thema Kommunalfinanzen derzeit das Wahlkampffeuer in NRW nährt. Aber Vorsicht: Das flackert höchstens bis zum 13. Mai.