Essen. . Ein Blick vorab in die Krupp-Schau des Ruhrmuseums, die am 31. März öffnet - mit 1500 Exponaten ist es die größte, die es zur Unternehmensgeschichte je gab. Gleich am Eingang bekommt der Besucher links und rechts die harten Gegensätze präsentiert: Krupp-Ideal und Krupp-Dämonisierung.
Das Krupp-Jahr 2011 ist vorbei, es gab viel zu sehen und zu lesen, doch das Publikum hat hoffentlich noch Appetit auf mehr. Denn im Ruhrmuseum auf Zollverein enden in diesen Tagen die Vorbereitungen für die größte Schau, die es jemals zur Geschichte des Unternehmens gab. Mehr als 1500 Exponate haben die Ausstellungsmacher um Museums-Chef Theo Grütter zusammengetragen, eine wahre Materialschlacht, die ein umfassendes Bild der Familie und des Unternehmens ermöglicht. Warum Essen ohne Krupp ein Jahrhundert lang undenkbar war, wird klar, je mehr man sich in die Details der Sonderausstellung vertieft, die vom 31. März bis 4. November läuft. Wieder bilden die rauchgeschwärzten, rohen Betonwände den perfekten Rahmen.
Der Titel ist programmatisch: „200 Jahre Krupp - ein Mythos wird besichtigt“. Krupp hätte ein normales Stahlunternehmen sein können wie Thyssen oder Hoesch, wenn da nicht das ganze Drumherum gewesen wäre: Der Qualitätskult um die Produkte, vor allem die Waffen. Die soziale Verantwortung, die bis heute in vielen Siedlungen spürbar ist, und die früher nicht wenige Essener von der Wiege bis zur Bahre begleitete. Schließlich ist da eine Eigentümerfamilie, die sich wie eine Königsdynastie inszenierte, mit der Villa Hügel den äußeren Rahmen besaß, um im wahrsten Sinne Hof zu halten, und dies auch gerne aller Welt mitteilte. Das frühe Geschick in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ist maßgeblich für den Mythos verantwortlich, der gut war fürs Geschäft, aber auch Gegenkräfte provozierte.
Das Krupp-Ideal in Postkarten verewigt
Gleich am Eingang bekommt der Besucher links und rechts die harten Gegensätze präsentiert, die die Unternehmensgeschichte so einzigartig und letztlich interessant machen: Das Krupp-Ideal, beispielhaft verewigt in Millionen idyllisierender Postkarten, und die Krupp-Dämonisierung, die von großen Teilen der politischen Publizistik ab etwa dem Jahr 1900 mit zunehmender Härte im In- und Ausland betrieben wurde. Wie immer lag die Wahrheit in der Mitte.
Krupp im Ruhr Museum
Es folgen auf dem Mittelgang des Ausstellungsraums die Groß-Exponate: der Gussstahlblock, das nahtlose Eisenbahnrad, die Kanone, Artillerie-Geschosse und schließlich eine Bandstahlrolle aus heutiger Produktion, der so genannte Coil. Letzterer ist allerdings aus Pappmachè. „Der Hallenboden hätte ein Original nicht getragen“, sagt Grütter. Es hätte jener berühmte Effekt bei der Weltausstellung in Paris 1855 gedroht: Ein mehrere Tonnen schwerer Krupp-Stahlblock war durch den Boden gekracht. Was die Firma damals mit einem Schlag berühmt machte, würde heute allerdings die Baubehörden auf den Plan rufen und war daher nicht zu empfehlen.
Viele Aspekte der Krupp-Geschichte werden in kleinen, überschaubaren Kabinetten thematisiert, deren Einrichtung die Zollverein-Kohlenwäsche ermöglicht. Beispiele: Die Rolle der Familie in Essen vor Gründung der Fabrik, die Wohnhäuser, die Staatsgäste auf dem Hügel und das Mäzenatentum der Familie. Im Hügel-Keller fand sich ein komplettes, von Gustav Krupp angelegtes Karteikarten-Archiv, tausende Namen, die in irgendeiner Form begünstigt worden waren, was der Systematiker feinsäuberlich hatte festhalten lassen.
Viele Krupp-Experten beteiligten sich an Vorbereitungen der Ausstellung
Als Leihgeber war der Hügel natürlich unentbehrlich, vieles hat das Ruhrmuseum allerdings auch im eigenen Besitz. So etwa ein Modell der ersten Siedlung Westendhof, die in ihrer lagerartigen Schlichtheit noch gar nichts von der späteren Wohnidylle Kruppscher Siedlungen besaß.
Die Ausstellung findet trotz ihrer Größe das richtige Maß, auch das richtige Verhältnis zwischen Originalstücken zum Anfassen, Bildern und Dokumenten zum Lesen. Das Ruhrmuseum verfügt in puncto Museums-Didaktik mittlerweile über jahrzehntelange Erfahrungen, die sich bei komplexen Ausstellungen auszahlen. Es ist übrigens die erste große Veranstaltung, die Theo Grütter selbst verantwortet, wenngleich Vorgänger Ulrich Borsdorf an den Vorbereitungen noch intensiv beteiligt war und sich das Museum auch die Unterstützung Dutzender Krupp-Experten - zumeist Wissenschaftler - sicherte. Nach den phänomenalen Besucherzahlen der Foto-Schau auf Villa Hügel, dürfte auch der zweiten und vorerst wohl letzten großen Krupp-Ausstellung der Publikumserfolg sicher sein.