Essen. Mit der richtigen Mischung sorgt die Dellwiger Klebstofffirma cph für bessere Haftbedingungen zwischen Unna und Ulan Bator. Das sieht man der Zentrale in der Dellwiger Heinz-Bäcker-Straße 33 nicht unbedingt an. Das Unternehmen macht dem Slogan vom „hidden champion“, also dem „versteckten Meister“, alle Ehre.
Vielleicht wäre aus ihm auch ein ganz guter Anwalt geworden, ganz sicher wäre es das. Aber das Jurastudium führte Gerwin Schüttpelz eben nicht nur an die Universitäten von Bochum und Paris, sondern auch auf den Hinterhof einer kleinen Essener Fabrik für Binderfarben: Dort verdiente er sich als studentischer Aushilfsfahrer ein paar Mark dazu und kam in Kontakt mit diesem einen entscheidenden Eimer Etikettier-Kleister, den es alle zwei, drei Monate galt, zu einer Druckerei nach Werden zu kutschieren.
Wenn man so will, ist Schüttpelz ein ganzes Berufsleben lang daran kleben geblieben: weil er sich in seinem Studentenjob erst für die Firma ordentlich reinhängte und den Absatz vervielfachte, weil er rausflog, als er die Chefin nach einer angemessenen Provision fragte, und weil er sich dann in einer Mischung aus Unternehmergeist und Trotz kurzerhand selbst zum Kleisterunternehmer ausrief: „Dann mach’ ich das eben selbst.“
Versteckt in der Sackgasse
Gesagt, getan: Zwei Jahre lang begnügte sich Schüttpelz damit, als Klebstoff-Händler aufzutreten, ehe er im 200-Liter-Bottich einer ausgedienten Waschmaschine begann, selber mit Haftbedingungen aller Art herumzuexperimentieren. Dreieinhalb Jahrzehnte ist das jetzt her, und heute ist die cph (kurz für: Chemie- Produktions- und Handelsgesellschaft mbH) ein weltweit agierendes Unternehmen, das seine Etikettier-Klebstoffe in mehr als 100 Länder exportiert und damit allein 2012 einen Umsatz von 115 Millionen Euro anpeilt.
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Zugegeben, das sieht man der Zentrale in der Dellwiger Heinz-Bäcker-Straße 33 nicht unbedingt an, schon deshalb nicht, weil Schüttpelz’ Firma dem Slogan vom „hidden champion“, also dem „versteckten Meister“ alle Ehre macht: Das Areal liegt in einer Sackgasse im Gewerbegebiet der alten Zeche Levin.
Auf Luftbildern erkennt man die gewaltigen Ausmaße der Produktionshalle – umso enttäuschter fällt dann der Blick auf die eigentliche Klebstoff-Herstellung aus, denn die verläuft im Kern nicht viel anders, als wenn Otto Normalverbraucher den Tapetenkleister aus dem Baumarkt mit Wasser in einem Eimer zur klebrigen Masse anrührt. Nur alles halt in größerem Maßstab: in sieben Kesseln à 5000 Litern Fassungsvermögen. Betriebsleiter Christian Berger mag gar nicht widersprechen und zieht einen Vergleich: „Wer kochen kann...“
...der kann auch Klebstoff herstellen, genau: Rund 100 Produkte, „von denen wir leben“, entstehen nach selbst entwickelten Rezepturen in der cph-Halle, durch die ein leichter, gar nicht mal sonderlich lästiger Geruch nach Ammoniak wabert.
Zehn bis zwölf Rohstoffe pro Leim
Zehn bis zwölf Rohstoffe stecken in jedem Leim, je nachdem, welchen Anforderungen er genügen soll. Was am Ende dabei herauskommt, heißt „Protac 1460“ und „Globomelt 2845“, „Dextac 160Z“ oder „Syntac GZ“.
Letzterer wird zum Beispiel gebraucht, um die Längsnaht von Zigaretten zu kleben, andere Produkte pappen Bierflaschenetiketten an die richtige Stelle, helfen Fischstäbchen-Verpackungen lebensmittelecht zu verschließen oder fügen bei der grafischen Industrie zusammen, was zusammen gehört.
Bei alledem hat sich die cph auf umweltfreundliche Etikettier-Klebstoffe spezialisiert. „Da macht uns niemand was vor – höchstens nach“, sagt Gerwin Schüttpelz mit Blick auf die Dickschiffe der Chemiebranche, die von biologischen Abbaubarkeits-Raten der Essener weit entfernt sind: Erst im vergangenen Jahr begann cph, Etikettierklebstoff auf Basis von Obsttrester zu entwickeln – das schraubt die biologische Abbaubarkeit auf über 70 Prozent.
"Ich war schon immer auf dem Ökotrip"
„Ich war schon immer irgendwie auf dem Ökotrip“, begründet Schüttpelz seinen Hang zur umweltschonenden Produktion, die mittlerweile längst mehr als ein Nischenprodukt ist: Schon 1981 begann er seinen Etikettierleim frei von Formaldehyd, Schwermetall und phenolhaltigen Bestandteilen zu produzieren, dabei hätte ihm dieser Wunsch, nicht das Gleiche machen zu wollen wie alle anderen, um ein Haar wirtschaftlich umgebracht.
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Auslöser war ein neues schwermetallfreies Konservierungsmittel, das cph von einer englischen Firma bezog. Nach einer halbjährigen Testphase – „alles klappte wunderbar“ – wurde die Zutat 1991/92 in die Serienproduktion aufgenommen und tonnenweise vermarktet. Bis eine Bremer Brauerei sich meldete und klagte, der für die Etiketten gelieferte Klebstoffe sei wasserdünn und unbrauchbar geworden. Die Beschwerde blieb kein Einzelfall, Schüttpelz verlor 70 Prozent seiner deutschen Kundschaft, weil er das Problem einfach nicht gelöst bekam. Bis kurz vor der drohenden Pleite ein Hinterhof-Labor in Ostberlin Berlin die Lösung fand und der cph das Überkleben und damit auch das Überleben sicherte.
Der Markt wächst weiter
Heute zeigt cph stolz seine Best-Note 1 beim Hoppenstedt-Bonitäts-Rating. Mit ihren Klebstoffen aus Dellwiger Fabrikation ist cph von A wie Argentinien bis Z wie Zypern im Geschäft, sie pappen in Unna genauso auf der Bierpulle wie in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator, sie kleben Zigaretten zusammen, Möbelfurniere oder Warenproben, vor allem aber Etiketten auf Getränkeflaschen. Und sie beschwören wie in der Werbung für Drei-Wetter-Taft: Ob bei brütender Hitze in einer nigerianischen Kleinstadt, bei 95 Prozent Luftfeuchte im vietnamesischen Hanoi oder bei 25 Grad unter Null im ukrainischen Ivanofrankifsk – das Etikett sitzt. Mal pasteurisierfähig mal hochschwitzwasserbeständig.
Und der Markt wächst weiter, Ex-Hochleistungssportler Schüttpelz will weiter expandieren, investiert demnächst 3,5 Millionen Euro in eine Schmelzklebstoffproduktion in Dellwig. Das Kleben ist halt eine Baustelle.