Essen. In Essen setzen sich Wirtschaft, Agentur für Arbeit und Gewerkschaften für dualen Ausbildungsweg ein. In Essen bietet unter anderem der Evonik-Konzern den dualen Ausbildungweg an. Philipp Szczech wird dort zum Chemikant ausgebildet - und drückt parallel die Schulbank.

Wenn Philipp Szczech von seiner Ausbildung berichtet, trifft er auf viele vermeintliche Besserwisser. „Du meinst Chemiker“ – das sei eine allzu häufige Reaktion, sobald er erzählt, dass er Chemikant wird. Die Tatsache, dass dieser technische Beruf nur wenig bekannt ist, macht es Bewerbern umso leichter, in diesem Zweig zu landen. Der in Essen beheimatete Evonik-Konzern bietet in diesem und anderen Berufsfeldern einen dualen Ausbildungsweg an, für den das Unternehmen zusammen mit der Agentur für Arbeit und anderen Verbänden nun die Werbetrommel rührt.

Als „Irrweg“ bezeichnet Hans Michaelsen von der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Entscheidung vieler Schulabgänger, nach dem Abschluss den „vermeintlich einfacheren Schritt zum Berufskolleg“ zu gehen. Insbesondere bei Jugendlichen mit schwächeren Leistungen sei dieser Weg nicht zu empfehlen: „Bei zwei Dritteln dieser jungen Menschen werden die Noten dadurch nicht besser“. In einer betrieblichen Ausbildung seien sie besser aufgehoben: „Das Gefühl, gebraucht zu werden, steigert das Selbstwertgefühl enorm“, ist er überzeugt.

Früh über stärken klar werden

Der gleichen Meinung ist Dieter Hillebrand von Deutschen Gewerkschaftsbund: „Der direkte Weg ins Berufskolleg lässt die Jugendlichen ihre eigenen Fähigkeiten aus den Augen verlieren“, stellt er fest. Jugendliche sollten sich „so früh wie möglich darüber klar werden, was ihre Stärken sind.“

Dies hat Philipp Szczech getan. „Ich wollte einen technischen Beruf ausüben“, berichtet der 20-Jährige, „und in der Schule habe ich schon immer gerne Chemie gemacht.“ Durch Recherchen im Internet sei er auf den Ausbildungsberuf zum Chemikanten gestoßen. „Dann habe ich in meinem Bekanntenkreis herumgefragt, ob jemand diesen Beruf kennt.“ So stellte sich heraus, dass sein Nachbar Chemikant ist: „Von dem habe ich mir Tipps holen können.“ Doch was macht er nun in diesem Job? „Im Prinzip das Gleiche wie ein Koch: Ich rühre viele Zutaten zusammen und trenne sie wieder“, beschreibt er den Prozess zur Herstellung chemische Produkte.

Duale Ausbildung

Szczech entschied sich für die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule, die man als duale Ausbildung bezeichnet – ganz so wie Oliver Wiegmann, der als Fachkraft zur Lagerlogistik ebenfalls einen kaum bekannten Beruf entdeckt hat. „Viele denken, da fährt man nur mit dem Gabelstapler herum, doch in Wahrheit steckt da viel Kaufmännisches drin.“ Es war eben diese Kombination zwischen praktischen und Schreibtisch-Elementen, die ihn reizten.

Vielfalt war auch für Laura Wollner ausschlaggebend, die Karriere als Chemie-Kauffrau anzupeilen: „Die exotische Mischung aus Naturwissenschaft und Betriebswirtschaft reizte mich“, so die 20-Jährige. Der duale Ausbildungsweg ermöglicht ihr zudem ein paralleles Bachelor-Studium.

Diese drei hatten das Glück, schon früh zu wissen, was sie wollen. „Das Thema Berufswahl wird in vielen Familien leider vermieden“, so Torsten Withake von der Agentur für Arbeit. „Wenn der eigene Antrieb fehlt, sind Eltern und das Umfeld gefragt, Denkanstöße zu geben.“ Praktika, auch auf freiwilliger Basis in den Ferien, könnten diesbezüglich Impulse geben.