Essen. Bastian Sander ist 26 Jahre alt und unterrichtet Deutsch und Sachkunde - an einer Grundschule. Und damit ist der junge Lehramtsanwärter schon ein Exot. Der Job mit den kleinsten Schülern war und ist in erster Linie Frauensache, das ist auch in Essen nicht anders. Eine Tatsache, die Bastian Sander nicht nachvollziehen kann.
Mit seiner Fächerkombination Deutsch und Sachkunde ist Bastian Sander kein ungewöhnlicher Lehrer. „Eher die Standardvariante“, meint auch sein Schulleiter Felix Busch. Was Bastian Sander für ihn jedoch zu einem besonders wertvollen Kollegen und den jungen Mann überhaupt zu etwas mit Seltenheitswert macht, ist eine ganz andere Kombination: Bastian Sander ist männlich, 26 Jahre jung und Lehramtsanwärter - für die Grundschule.
Was landesweit zu beobachten ist, macht auch vor der Emscherschule in Altenessen nicht Halt: Männer in der Grundschule sind Mangelware, mit Bastian Sander und seinem Chef ist der Testosteronanteil im Kollegium schon erschöpft. „Sechs Kolleginnen und zwei Kollegen - eigentlich sind wir beide schon viele“, blickt Busch mit einem Schmunzeln auf die Geschlechterverteilung an seiner Schule.
Die Referendar-Kollegen beneiden Bastian Sander
Von anderen Schulleiterkollegen bekommt er regelmäßig neidvolle Blicke, wenn er von seinem jungen Lehramtsanwärter erzählt. „Es ist wirklich selten, dass wir männliche Referendare bekommen, der letzte ist ganz lange her“, weiß Busch um den exotischen Status von Bastian Sander, „aber wenn ich ehrlich bin, war das schon immer so.“
Nicht schon immer, aber doch recht früh wusste Bastian Sander, dass er Lehrer werden wollte - und hat sich auch ganz bewusst für die Grundschule entschieden: „Ich habe in Jugendfreizeiten bereits viel mit jüngeren Kindern gearbeitet und gemerkt, dass mir das liegt“, erzählt der Recklinghäuser, der am Studienseminar in Essen seine Theorieausbildung absolviert. Mit „Boah, wie groß bist du denn?“ wurde Sander in seiner ersten Unterrichtsstunde von den Emscher-Grundschülern begrüßt, eine Reaktion, die eine Kollegin wohl eher nicht bekommen hätte.
"Auf Männer reagieren Schüler anders"
„Ich glaube schon, dass die Schüler anders auf Männer reagieren“, merkt Sander, dass ihm gewisse Eigenschaften auch einen Vorteil bringen, „dass ich sehr groß bin, verschafft mir vielleicht auf den ersten Blick bei den Kindern eine andere Präsenz.“ Davon ist auch Felix Busch überzeugt, gerade die Größe und die tiefere Stimme der männlichen Pädagogen würden von den Kindern sofort wahrgenommen. „Ich erlebe es immer wieder, dass sowohl Jungen als auch Mädchen fasziniert auf einen männlichen Grundschullehrer reagieren.“
Mit Reaktionen ganz anderer Art musste sich Bastian Sander im Studium auseinander setzen. Wer als Mann auf Grundschullehramt studiert, findet sich schnell allein unter Frauen wieder. In einem Seminar mit 40 Frauen zu sitzen - für Bastian Sander war dies keine Seltenheit. „Da fällt man natürlich auf, das ist klar“, erzählt der junge Mann, „die meisten Dozenten haben sich gefreut, dass da auch endlich mal ein Mann saß.“ Noch öfter bekam Sander allerdings zu hören: „Du musst dir keine Sorgen machen, als Mann kriegst du in der Grundschule eh einen Job.“
Freunde respektieren seine Leistung
Aussagen, die den Referendar ärgern: „Wir sind doch nicht in der freien Wirtschaft. Ich muss genau wie meine Kolleginnen gute Noten bringen, um Chancen auf eine Stelle zu haben.“ Im Freundeskreis des 26-Jährigen ist seine Arbeit längst anerkannt, zollen ihm auch Studienfreunde, die sich für das Sekundarlehramt entschieden haben, großen Respekt.
Anerkennung, von der sich Bastian Sanders Chef mehr wünscht. „Der Job als Grundschullehrer ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden.“ Das Klischee vom Basteln im Stuhlkreis und eine vergleichsweise geringe Bezahlung hielten aber noch immer viele Lehramtsstudenten davon ab, sich für die Primarstufe zu entscheiden, ist sich Felix Busch sicher.
Bastian Sander ließ sich nicht abschrecken, ist froh, dass er jeden Tag etwas bewirken kann: „Die Möglichkeiten, den Schülern Werte zu vermitteln, etwas Positives vorzuleben, sind an der Grundschule viel größer“, erklärt der 26-Jährige seine Motivation für den Job, „und es kommt ganz viel von den Kindern zurück.“