Essen. . Veranstalterin Melanie Hundacker hat mit dem „Sightjogging“ einen Metropolentrend nach Essen geholt. Bei der Mischung aus Sightseeing und Joggen lernt man laufend. Wir haben die 3,5 Kilometer lange Schnuppertour über die Ringpromenade auf Zollverein ausprobiert.

Etwas Raureif liegt noch auf den Brachflächen des riesigen Zollverein-Areals. Die Luft ist klar, der Himmel an diesem Sonntagmorgen wie gemalt. „Perfektes Laufwetter“, freut sich Melanie Hundacker, die mit ihrer Veranstaltungsagentur „Simply Out Tours“ längst einen Trend aus Metropolen wie New York und Sydney ins Ruhrgebiet geholt hat: „Sightjogging“ heißt das Angebot, bei dem sich Sehenswürdigkeiten laufend entdecken lassen. Mit der Eröffnung der Ringpromenade wurde das Programm um eine „Schnupper-Tour“ reicher. Denn der 3,5 Kilometer lange Wanderweg ist in gemäßigtem Tempo auch für Anfänger zu schaffen.

Vor PACT Zollverein, dem Zentrum für Internationalen Tanz, beginnt die einstündige Tour, Aufwärmen und heißer Kakao zum Abschluss eingeschlossen. An der Stelle, wo damals die Bergleute in den Schacht einfuhren, werden heute Lauf- statt Stahlkappenschuhe geschnürt. Während Melanie Hundacker die Muskeln der Teilnehmer auf Betriebstemperatur bringt, erklärt sie das kleine, bronzene Zollverein-Modell. Maximal zehn Läufer können an der Tour teilnehmen, „sonst müsste ich zu sehr schreien“ sagt Hundacker.

„Ich spreche nur beim Ausatmen, das ist der Trick“

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Joggerin Christina Reinhardt hat sich vierbeinige Verstärkung mitgebracht: Auch „John Boy“ - angesichts der Größe des russischen Terriers ist der Name pure Untertreibung - entdeckt heute Zollverein. Im Laufschritt geht es durch die Bullmannaue, vorbei an der Haldenstraße zur Kokerei. Ein Güterzug durchschneidet die stille Industrieromantik, gewährt Melanie Hundacker eine kurze Trinkpause - nicht ohne vorher erwähnt zu haben, dass es die Köln-Mindener Eisenbahnlinie schon seit 1847 gibt. „Ich spreche nur beim Ausatmen, das ist der Trick“, erklärt die akkreditierte Zollvereinführerin ihre Technik, trotz Anstrengung die begeisterte Stimme nicht zu verlieren.

Vielleicht liegt das aber auch an Hundackers besonderem Verhältnis zu Zollverein. Schließlich wuchs sie nur anderhalb Kilometer von hier entfernt in Altenessen auf. Hier ein paar Infos zur Koksproduktion, da etwas zur Geschichte um Zechen-Gründer Franz Haniel, beim Lauf durch den Skulpturenwald noch ein paar Wissenshäppchen zum Strukturwandel. Zum Runterkommen werden noch ein paar Runden vorm Doppelbock im „Willkommenshof“ gedreht, „den die Bergarbeiter damals nie betreten durften, der war nur zu Repräsentationszwecken“. Natürlich reichen sportliche 60 Minuten nicht aus, um Zollverein in Gänze zu erfahren, geben aber einen guten Einblick ins Damals und Heute. Dabei ist die Tour auch etwas für Sportmuffel: Denn wer konzentriert zuhört, der vergisst fast, dass er sich bewegt.