Essen. . An der Uni Duisburg-Essen ist es voll wie nie. Konzentriertes zuhören ist in den überfüllten und stickigen Räumen kaum möglich. Die UDE verzeichnet die höchsten Zuwachsraten allein in den Bau- und Ingenieurswissenschaften.

Auf der Campuswiese hängt ein sonnengelbes Banner, das für die „Semestereinstiegsfete“ einer Innenstadt-Disco am Freitag wirbt: „Heiß! Laut! Voll!“ Kann man jetzt schon haben: Heiß, laut, voll. Muss man bloß in den Hörsaal gehen.

Wir sind im Raum B08, Mathe-Einführungsveranstaltung „Analysis I“, alle 400 Plätze sind besetzt, Treppenstufen auch. „Analysis I“ muss jeder machen, der Mathe studiert, egal, ob Lehramt oder Bachelor. Der Dozent erinnert an das „Kommutativgesetz“, das besagt: Drei plus vier gleich vier plus drei; zeitweise wird es sogar richtig amüsant, zumindest im Rahmen der Möglichkeiten, die das Fach Mathe so zulässt. Jedenfalls sagt der Dozent: „Mathematiker sind wie Bürokraten, sie denken nicht nach, sondern halten sich an ihre Gesetze.“

Gekicher in den Reihen, dann fährt der Dozent fort, und vor allem ganz hinten und ganz oben bleibt es laut: Aus permanentem Getuschel wird schnell halblautes Gerede; fast jeder quatscht hier irgendwann mit seinem Nachbarn. Naseputzen. Stifteklackern. Husten. Und dazu die Wärme, die sich unter der Decke staut. “Es ist hier wie in der Sauna“, ruft der Dozent, und die Geräusche verstummen, als ob sich alle ein bisschen ertappt fühlen. Dann fährt er fort: „Quatschen ist nicht erlaubt.“ Sofort ist Ruhe, aber nicht sonderlich lang. „Konzentriert zuhören kann man hier eigentlich nicht“, sagt Elvira (20, 3. Semester). Viele haben Wasserflaschen dabei, anders hält man das hier schlecht aus, und wer sich nicht nach der Zwiebelmethode angezogen hat und Schicht um Schicht ablegen kann, der sitzt schnell im eigenen Saft. Der Dozent trägt übrigens ein kurzärmliges Hemd. Kluger Typ. „Vergessen Sie, dass Sie meinen zu wissen, was Plus bedeutet“, sagt er. Wird es jetzt unheimlich?

Die Uni im Cinemaxx

Foto: Jakob Studnar
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Anteil von Männern ist besonders hoch

Zur gleichen Zeit im größten Hörsaal auf dem Essener Campus: Das Audimax hat 686 Sitze, zumindest steht das auf dem offiziellen Lageplan. Dozent Dr. Daniel Balzani sagt: „Wenn die Räumlichkeiten geeignet sind, ist es letztendlich gleich, ob man vor 50 oder 500 Studenten spricht.“ Bloß: Nur dieser eine Raum hier, das Audimax, sei entsprechend geeignet hinsichtlich Größe und technischer Ausstattung. Balzani hält die Vorlesung „Mechanik I“. Die Uni Duisburg-Essen verzeichnet in diesem Semester die höchsten Zuwachsraten in den Bau- und Ingenieurswissenschaften mit Werten von teilweise mehr als plus 100 Prozent Erstsemester.

„Woran genau das liegt, ermittelt wir derzeit“, sagt Uni-Sprecherin Beate Kostka. Ingenieur Balzani hat zwei Erklärungen parat: „Der Wegfall der Wehrpflicht, der Wegfall von Studiengebühren.“ Der Anteil von Männern sei in diesem Jahr besonders hoch, ist ihm aufgefallen. Ist das nicht immer so? Balzani widerspricht energisch: Die technischen Fächer seien nicht so männerdominiert, wie immer behauptet wird. “Schauen Sie sich doch um!“ Hat er Recht: Eigentlich sitzen in den Reihen des Audimax’ auch überall Frauen.

Seltsamerweise ist die Gesamtzahl der Studenten der Uni nicht wesentlich höher als früher, sie liegt derzeit bei 34 500. „Auch dieses überraschende Phänomen analysieren wir“, sagt Sprecherin Beate Kostka.

Jetzt, in den ersten Tagen, an denen es überall so sehr voll ist, kommt erschwerend hinzu: Die Mensa wird umgebaut. Die Arbeiten werden bis April 2012 andauern, sagt Gerd Schulte-Terhusen, Abteilungsleiter beim Studentenwerk. Er räumt ein, dass deshalb derzeit „zehn bis 15 Minuten Wartezeiten“ in Kauf zu nehmen seien. Dabei ist extra eine „schnelle Theke“ eingerichtet worden im Foyer im Erdgeschoss. Und im „Café Giallo“, der gelben Caféteria, hat man das Angebot aufgestockt. Plakate verkünden „Köstliche Snacks ohne lange Wartezeiten.“ Ein heißer Schinken-Käse-Toast als Mittagessen muss in diesen Zeiten dann wohl mal reichen.

Studis reden Klartext

Cem (28), 8. Semester VWL:
Cem (28), 8. Semester VWL: "Am Anfang waren die Vorlesungen total überfüllt. Und manche Klausuren können nur einmal jährlich geschrieben werden, nicht einmal pro Semester. Da verliert man viel Zeit. Dafür ist die PC-Ausstattung in der Bibliothek gut." © WAZ FotoPool
Simon (30), 6. Semester WiWi:
Simon (30), 6. Semester WiWi: "Das Bachelor-Studium lässt keinen Platz für etwas anderes. Man muss kontinuierlich lernen, auch am Wochenende, auch abends. Aber ich habe es so gewollt, aus meinem früheren Beruf als Bankkauffrau wollte ich ‘raus." © WAZ FotoPool
Mneg (22), studiert Germanistik in Peking:
Mneg (22), studiert Germanistik in Peking: "Ich bin seit Herbst 2010 hier als Austausch-Studentin. Mir gefällt die Uni gut. Die meisten Kommilitonen sind nett. Also, fast alle. Am besten finde ich die Mensa, das Essen ist spitze." © WAZ FotoPool
Japeth (34), 6. Semester WiWi:
Japeth (34), 6. Semester WiWi: "Ich bin Vater einer Tochter. Ich habe sie hier an der Uni im Kindergarten. Das ist super. Wäre die Uni nicht so familienfreundlich, hätte ich nicht noch studieren können. In Kamerun habe ich früher in einer Bank gearbeitet." © WAZ FotoPool
Malte (25), studiert Primarstufe (Grundschul-Lehramt):
Malte (25), studiert Primarstufe (Grundschul-Lehramt): "Eigentlich nervt mich gar nichts an der Uni. Ich hätte ganz gern Lehramt nach dem Bachelor-/Master-System studiert, aber das fängt ja erst im Herbst an. Das Verschulte fände ich gut." © WAZ FotoPool
Jörn (23), Lehramt Sport und Mathe:
Jörn (23), Lehramt Sport und Mathe: "Ich bin froh, dass ich noch das Lehramt-Studium nach alter Art studieren kann. Ich habe mich auch extra darum bemüht, das war für die Wahl des Studienorts entscheidend." © WAZ FotoPool
Yeter (23), 6. Sem. Lehramt Germanistik:
Yeter (23), 6. Sem. Lehramt Germanistik: "Die Toiletten sind eine Zumutung. Die meisten sind sanierungsbedürftig, dreckig und kaputt. Die Türen kann man oft nicht schließen. Gut sind nur die neuen Klos im Audimax." © WAZ FotoPool
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