Wiesbaden. Überfüllte Hörsäle und unzumutbarer Leistungsdruck? Egal! Die Beschwerden der Studierenden schrecken Abiturienten offensichtlich nicht vom Studium ab. Über 400.000 neue Erstsemester verzeichnet das Statistische Bundesamt. Insgesamt studiert fast jeder Zweite eines Jahrgangs.

Bildungsboom in Deutschland: Mit Rekorden sowohl bei der Zahl der Erstsemester als auch der Gesamtzahl der Studenten scheint die Bundesrepublik nun doch auf dem Weg in die Wissensgesellschaft. Fast 423.400 Männer und Frauen, damit 43,3 Prozent ihres jeweiligen Jahrgangs und soviele wie niemals zuvor, begannen im Studienjahr 2009 eine Hochschulausbildung, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Insgesamt wurde im Wintersemester 2009/2010 die neue Höchstzahl von rund 2,129 Millionen Studenten gezählt.

SPD-Politikerin Burchardt warnt vor «statistischen Tricks»

Bundesbildungsministerin Annette Schavan sprach von einer «sehr erfreulichen Entwicklung». Die neuesten Zahlen zeigten auch, dass die Maßnahmen des Hochschulpaktes Wirkung zeigten. Die CDU-Politikerin verwies auf den Bildungsgipfel 2008, bei dem sich Bund und Länder zum Ziel gesetzt hatten, die Studienanfängerquote auf mindestens 40 Prozent zu erhöhen. Diese Zielmarke wurde laut Statistischem Bundesamt erstmals 2008 überschritten (40,3 Prozent). 1999 hatte sie noch bei 31,3 Prozent gelegen.

Die SPD-Politikerin und Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Ulla Burchardt, warnte allerdings vor verfrühtem Jubel und sprach von «statistischen Tricks». «Während die Zahl der Abiturienten seit fünf Jahren ansteigt, sinkt der Anteil derer, die sich auch für ein Studium entscheiden», erklärte sie. Entscheidend sei das Verhältnis zwischen Hochschulzugangsberechtigten und den tatsächlichen Studienanfängern. Schavan solle endlich die entsprechende Statistik zu den Hochschulzugangsberechtigten im Jahr 2008 veröffentlichen, die sie seit Monaten zurückhalte.

Fünf Prozent mehr an den Unis, neun Prozent mehr an den FHs

Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, freute sich über den Anstieg der Studentenzahlen, forderte aber zugleich zusätzliche Mittel. «Zusätzliche Studienplätze allein reichen nicht, Studierende brauchen auch Wohnraum, Studienfinanzierung, Beratung», erklärte er. Dafür müssten die Länder mehr Geld zur Verfügung stellen.

Die Zahl der Erstsemester stieg laut Bundesamt 2009 um sieben Prozent. Genau die Hälfte von ihnen sind Frauen. An den Universitäten schrieben sich im Sommer- und im Wintersemester im Vergleich zum Vorjahr 5 Prozent mehr Studenten ein, an den Fachhochschulen waren es sogar 9 Prozent mehr. Im gerade begonnenen Wintersemester liegt die Anzahl der Studierenden um 5 Prozent über dem Stand des vorigen Wintersemesters. An Universitäten oder vergleichbaren Hochschulen sind 1,455 Millionen (68 Prozent), an Fach- sowie Verwaltungsfachhochschulen 673.500 (32 Prozent) Studierende immatrikuliert.

Technische Bereiche mit wachsender Beliebtheit

Wachsende Beliebtheit gibt es in technisch orientierten Fächern: So stieg die Zahl der Studienanfänger im Bauingenieurwesen um 15 Prozent, in Maschinenbau/Verfahrenstechnik um 6 Prozent, in Informatik um 4 Prozent und um 3 Prozent in der Elektrotechnik.

Deutlich mehr Studierende begannen ein Studium im Saarland (plus 15 Prozent) sowie in Bayern und Berlin (jeweils plus 9 Prozent). Relativ geringe Zunahmen verzeichneten dagegen Bremen (plus 3 Prozent) sowie Brandenburg und Sachsen (jeweils plus 2 Prozent). In Sachsen-Anhalt gab es dagegen einen Rückgang um 1 Prozent.

Im Saarland führte die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium (G8) 2009 zu einem doppelten Abiturientenjahrgang und damit einer steigenden Zahl von Erstimmatrikulierten. In Sachsen-Anhalt hatte es diesen Effekt schon 2007 gegeben. (afp)