Essen. .

Das neue Buch von Diana Maria Friz über das Leben ihrer Großmutter Bertha Krupp fügt der Krupp-Publizistik einen Blick ins Private hinzu. Mehr noch: Bertha Krupps Leben wird opulent ausgebreitet.

Die Geschichte von Familiendynastien ist hierzulande entweder etwas für die Klatschblätter oder für hochseriöse Biografien, die oft arg trocken daherkommen. So gesehen ist Diana Maria Friz ein Glücksfall. Die schreibende Enkelin von Bertha Krupp von Bohlen und Halbach spielt in der Zunft der Krupp-Publizisten eine Sonderrolle. Als Familienmitglied hat sie persönliche Erinnerungen an Begebenheiten, die andere nicht haben können. Naturgemäß besitzt Friz zudem exklusiven Zugang zu den schriftlichen, mündlichen und fotografischen Überlieferungen der Familie. Gepaart mit hohem Sendungsbewusstsein in Sachen Krupp, hat dies nun zum dritten Mal zu einem lesenswerten Buch geführt: „Bertha Krupp und ihre Kinder - das Leben meiner Großmutter.“

Anders als im Buch über ihre Uroma Margarethe Krupp, in dem sich sehr viel Fiktionales und Romanhaftes fand, verfügt Diana Maria Friz bei der Großmutter über genügend authentisches Material, kann gewissermaßen aus dem Vollen schöpfen. Diese Biografie liest sich schon deshalb weit spannender. Ausführlich wird aus Briefen zitiert, und über die beeindruckende Zahl und Qualität selten bis nie gezeigter Bilder ließe sich höchstens kritisch anmerken, dass viele zu klein gedruckt sind.

Bertha Krupps Leben wird opulent ausgebreitet. Kurz nach ihrer Geburt 1886 begann jene beständige Hochkonjunktur des Kaiserreichs, die die wirtschaftliche Macht des Unternehmens in die Höhe katapultierte. Die reichste Erbin Deutschlands genoss dennoch eine Erziehung, die an einem zeittypisch strengen Werte-Korsett orientiert war. Früh lernte sie ihren Gatten Gustav, genannt Taffy, kennen, und wenn wir Diana Maria Friz (und vielen Dokumenten) glauben dürfen, dann war es eine achtsame Liebesehe bis zum letzten Tag.

„Geld allein macht nicht glücklich“

Acht Kinder hat Bertha Krupp geboren, sieben erreichten das Erwachsenenleben, fast alle führten ein Leben, das der Volksmund so zusammenfasst: „Geld allein macht nicht glücklich.“ Zwei Söhne und ein Schwiegersohn fielen im Krieg, einer verbrachte zehn Jahre in sowjetischer Gefangenschaft, einer sechs Jahre in alliierter Haft. Die vielfache Tragik, gepaart mit politischen und privaten Verstrickungen sowie dem notorisch gutem Aussehen ergibt den Stoff, den die Autorin zu einer großen Familien-Saga verknüpft. Kein Zweifel: Die Krupp-Bohlen-Halbach waren so etwas wie die Windsors von Essen, eigentlich des gesamten Ruhrgebiets.

Bertha selbst ist dabei die Patriarchin alter Schule, die den Laden zusammenhält und wenn nötig auf den Tisch haut, vor allem wenn Alfried, der Älteste, aus dem Ruder zu laufen drohte. Jeder Zoll an ihr ist eine protestantische Großbürgerin mit Wurzeln im 19. Jahrhundert, die sich der Verpflichtung ihres Namens stets bewusst ist. Man weiß das Leben durchaus zu genießen, aber Haltung, Disziplin, Maß und Mitte sind die Leitplanken dieser nüchternen Essenerin, die „keine Kuschel-Oma war“, wie Enkelin Diana sich erinnert. Bei den Kindern gibt es dann durchaus Fluchtbestrebungen aus dem engen Korsett.

Kindererziehung, Firmenrepräsentation und die Organisation mehrerer personalintensiver Haushalte - zwischen diesen Polen spielte sich Berthas Leben ab. Sie war außerdem die eigentliche Eigentümerin der Krupp-Werke, ließ sich von ihrem Mann, dem Firmenleiter, stets über den Stand der Dinge im Unternehmen berichten, war aber zufrieden mit ihrer Rolle im Hintergrund. Wer das Sagen hatte, wenn die Türen zu waren, ging damals niemanden etwas an. Friz ist sicher: Bertha hat weit mehr (mit)entschieden als nach außen bekannt wurde.

Die hohe familiäre Identifikation der Autorin lassen Kritisches nur sehr dosiert anklingen. Schlimm ist das nicht. Über Krupp ist so viel geschrieben worden, da hat auch ein Buch seinen Platz, das Privates und Anekdotisches nicht scheut. Und unpolitisch geht es eben keineswegs zu bei Diana Maria Friz.

Disput mit Beitz

In die leichte Muse abschieben sollte man sie nicht. Ihre Zähigkeit hat kein Geringerer als Berthold Beitz zu spüren bekommen, der ihr erstes und weiter wichtigstes Buch nur ungern zur Kenntnis nahm. 1986 erschienen, beleuchtete es ausführlich das Innenleben der Krupp-Nachfahren sowie deren schwieriges Verhältnis zu Beitz. Dieser – nicht die Familie – genoss das Vertrauen des ältesten Bruders und letzten Alleineigentümers Alfried. Und Beitz ist es, der bis heute die starke Stellung im Unternehmen und in der Krupp-Stiftung hält – nicht unbedingt zur Freude der Bohlen und Hal-bachs, als deren publizistische Speerspitze Friz gelten darf.