Für Krupp ist die Weimarer Zeit eine einzige Krise. Ankommen wird der Firmeninhaber in der Demokratie nie, aber auch Hitler steht er zunächst fern. Nach dem Einmarsch französischer Soldaten muss der Unternehmer sogar neun Monate in Haft.
Die Neuerfindung eines ganzen Konzerns mit Zehntausenden Beschäftigten ist keine kleine Sache. Aber Krupp bleibt nach dem Ersten Weltkrieg nichts anderes übrig als das Wagnis einzugehen. Denn die alliierten Sieger begrenzen die deutsche Rüstung nicht nur auf ein Minimum, sie machen zumal in Essen auch Nägel mit Köpfen. Dreh- und Bohrbänke, Fräs- und Stoßmaschinen, alles was der Waffenherstellung dienen kann, kommt unter den Fallhammer. Alles in allem werden rund 9000 Maschinen unbrauchbar gemacht. Betriebswirtschaftlich ein immenser Verlust, und der Wegfall der gewinnträchtigen Rüstungssparte wird Krupp schwer zu schaffen machen.
Lokomotiven, Registrierkassen oder Erntegeräte, all die tausend Kleinigkeiten, mit denen das Unternehmen stattdessen versucht, wenigstens bescheidene Gewinne zu erzielen, können nur in geringen Maße einen Ausgleich schaffen. Krupp leidet zusätzlich wie fast alle Unternehmen unter den schweren politischen und wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Republik Nur knapp schrammt man an der Pleite vorbei.
Heimlich Waffen-Kowhow nach Schweden geschafft
Ganz die Finger lässt Gustav Krupp nicht von der Rüstung, obwohl es im Direktorium Stimmen gibt, die ihm raten, dies ernsthaft zu erwägen. Die durch den Versailler Vertrag genehmigten geringen Waffenmengen sind in der Produktion nur ein teures Zuschussgeschäft, aber der Firmenleiter kann sich dennoch zu einem klaren Schnitt nicht durchringen. Heimlich und an den alliierten Kontrollen vorbei hat Krupp stattdessen Teile seines Waffen-Knowhows nach Schweden geschafft. Auf neutralem Boden arbeiten die Fachleute aus Essen in Kooperation mit der schwedischen Waffenschmiede Bofors an neuen Geschützen und Munitionstypen. Sehr viel später, 1942, liest sich das in der Werkszeitung in einem Aufsatz von Gustav Krupp („heute darf ich darüber sprechen“) so: „Ich wollte und musste Krupp, wenn auch getarnt, als Wehrbetrieb für die ferne Zukunft erhalten.“
Wie so vielen Deutschen bleibt dem Firmeninhaber die junge, ungefestigte Demokratie innerlich fremd. Zu tief wurzelt Gustav Krupp im vordemokratischen, autoritären Gedankengut und Staatsverständnis der Kaiserzeit. Ereignisse wie die Besetzung des Ruhrgebiets, mit dem die französische Regierung die weitere Begleichung der Reparationen erzwingen will, erschüttern nicht nur sein Vertrauen in die Lebensfähigkeit der Republik.
Auch das Soziale leidet
Beim Einmarsch französischer Soldaten auf dem Werksgelände am 31. April 1923 kommt es zur Katastrophe, als demonstrierende Kruppianer unter Feuer geraten. 13 Tote und 15 Verletzte hat dies zur Folge. Weil Frankreich die Schuld bei Krupp ablädt, was den Tatsachen kaum gerecht wird, verbringt der Firmeninhaber sieben Monate in Haft.
Im Jahr 1929 endet der kurze Boom der „goldenen Zwanziger“, eine lang anhaltende wirtschaftliche Krise beginnt, die auch in Essen Ende 1932 ihren Höhepunkt erreicht. 200 000 Menschen, jeder dritte Bürger, lebt zu diesem Zeitpunkt von der Wohlfahrt, nur noch rund 20 000 finden Arbeit im Werk. Von den sozialen Grundsätzen ist auch Krupp abgerückt. Einmal Kruppianer, immer Kruppianer - das gilt längst nicht mehr für ein Unternehmen, das ums nackte Überleben kämpft.
Einem nützt dieses Elend: Adolf Hitler. Der Anteil, den Gustav Krupp und andere Großindustrielle am Aufstieg der NSDAP hatten, wird bis heute viel diskutiert. Fakt ist: Bis auf Fritz Thyssen, der früh zum fanatischen Anhänger mutiert (und sich ebenso früh enttäuscht abwendet), zeigen sich die Ruhr-Unternehmer bis zur Kanzlerschaft Hitlers 1933 eher spröde. Die Rhetorik, das ordinäre Wesen, das Aufpeitschen der Massen stoßen in diesen Kreisen zunächst ab. Das gilt erst Recht für die Krupps. Der Historiker Werner Abelshauser stellt klar: „Das Ehepaar Krupp hat vor der Machtergreifung weder aus der Firmenkasse noch aus ihrer Privatschatulle der NSDAP auch nur eine Mark gespendet.“
Das mag verblüffen, gilt doch die Theorie vom engen Bündnis zwischen Nazis und Industrie vielen als Allgemeingut. In Wahrheit aber waren die Millionen Wähler deutlich vor den Millionen der Industrie an Hitlers Seite. Als der Diktator allerdings die Macht errungen hat, erliegt ihm der stets opportunistische Gustav Krupp nahezu widerstandslos.
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