Essen. .
Sie waren in ihrer Heimat Sozialwissenschaftler oder Elektro-Installateure, ihre Frauen Architektinnen. In Deutschland fahren sie Taxi. Das beschlossene neue Anerkennungsgesetz soll es Zuwanderern künftig leichter machen, ihren Beruf in Deutschland auszuüben.
Mit dem Beschluss des neuen Anerkennungsgesetzes hat der Bundestag vergangene Woche den Weg für eine einfachere und schnellere Handhabe bei Bildungsabschlüssen aus dem Ausland geschaffen. Konnte ein türkischer Arzt bislang nicht in Deutschland arbeiten, hat er nun die Möglichkeit, bei Vorlegen der fachlichen Voraussetzungen eine Approbation zu erhalten. Eine längst überfällige Maßnahme, finden etwa die Taxifahrer am Essener Hauptbahnhof. Sie stammen zu einem Großteil aus Syrien, dem Libanon, Iran, Irak - und haben dort oft exzellente Ausbildungen genossen, die im Deutschland der 80er und 90er Jahre wertlos waren.
Ahmad Arsalan hat sich mit seinem Taxi in die lange Schlange der wartenden Autos eingereiht. Seit drei Jahren ist der beigefarbene Mercedes seiner, der Essener Hauptbahnhof sein Revier. Der 39-Jährige kam vor 15 Jahren aus dem Nord-Irak in die Bundesrepublik. In seiner Heimat plante und organisierte der gelernte Elektro-Installateur die Anschlüsse eines gesamten Gebäudes. Als er nach Deutschland kam, tingelte er von einer Zeitarbeitsfirma zur nächsten. „Ich wurde dort wie ein Praktikant behandelt und habe auch nur solche Tätigkeiten ausführen können. Mit meinem Abschluss aus dem Irak hätte ich keine Chance, wurde mir gesagt“, erinnert sich Arsalan mit bitterer Stimme.
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Seine Frau, erzählt er, habe in Bagdad als Architektin gearbeitet. Heute sei sie Hausfrau. „Wir haben so viel versucht. Obwohl damals eine Stelle in Düsseldorf frei und sie die einzige Bewerberin war, wurde sie abgelehnt“, so Arsalan weiter. An mangelnden Sprachkenntnissen habe das nicht gelegen - sowohl er als auch seine Frau konnten sich fließend auf Deutsch verständigen. Sein Job als Taxifahrer erfülle ihn zwar nicht, „aber das ist besser, als Geld vom Staat zu bekommen“, sagt Arsalan. Vor allem gesundheitlich sei der Job bedenklich, an manchen Tagen wartet er am Bahnhof bis zu drei Stunden auf einen Kunden. Die mangelnde Bewegung mache seinem Rücken zu schaffen.
„Mit Mitte 40 ist der Zug abgefahren“
Arsalan ist kein Einzelfall. „Ich kenne Ärzte, Lehrer und sogar einen Piloten, die hinterm Steuer eines Taxis sitzen“, erzählt etwa Abdul Hakimi. Der Krieg vertrieb ihn und seine Frau vor 17 Jahren aus Afghanistan. Dort hatte der 43-Jährige zuvor sein Studium der Sozialwissenschaften abgeschlossen.
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Sämtliche Zeugnisse von ihm wurden in der Bundesrepublik nicht anerkannt. Seiner Frau ging es genau so. „Dabei war sie eines der letzten Mädchen, das vor der Machtübernahme der Taliban das Abitur machte“, erzählt Arsalan mit einem Anflug von Stolz in seiner Stimme. So klingt er auch, wenn er von seinen drei Kindern spricht. Zwei besuchen das Gymnasium, das Nesthäkchen ist noch im Kindergarten. Hakimi will seinen Kindern eine bessere Zukunft und vor allem Selbstverwirklichung ermöglichen.
Ein Luxus, der ihm verwehrt blieb. „Ich hätte das Studium in Deutschland komplett neu beginnen müssen. Aber ich musste ja auch Geld verdienen“, sagt Hakimi. Sogar ein Sprachkurs wurde ihm damals verwehrt. „Dabei ist Sprache der Schlüssel zur Integration. Auswanderern wird heute oft die Schuld in die Schuhe geschoben. Dabei wurde das Thema Integration viel zu sehr politisiert. Man hätte das Problem an der Wurzel packen müssen. Mit verpflichtenden Sprachkursen und unbürokratischer Anerkennung oder Nachqualifizierung der Bildungsabschlüsse“, kritisiert Hakimi.
Am Taxistand stehen ein paar Fahrer zusammen. Ein Geschäftsmann im Anzug eilt hektisch aus dem Hauptbahnhof, lässt von einem syrischen Landsmann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, seine Aktentasche im Kofferraum verstauen. „Was soll ich Ihnen erzählen?“, fragt er, „ich habe Pädagogik studiert, das war hier nichts wert. Jetzt bringt mir ein neues Gesetz auch nichts mehr. Mit Mitte 40 ist der Zug abgefahren.“