Essen. Seit 50 Jahren widmet sich der Essener Romanos-Chor ausschließlich der Musik, wie sie in der orthodoxen Liturgie gesungen wird. Ein Drittel der Mitglieder stammen aus orthodoxen Ländern.
Wenn der Romanos-Chor für Ostkirchliche Liturgie in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern kann, verdankt er das in gewissem Sinne auch der Äbtissin Theophanu, die von 1039 bis 1058 das Essener Stift leitete. Kurios, aber verbürgt. Denn als die Stadt Essen ihre 1100-Jahrfeier plante, sollte auch eine Messe im byzantinischen Ritus auf dem Programm stehen. Damit wollte man an die Kultur anknüpfen, aus der Theophanu stammte, deren Großmutter die oströmische Kaisertochter gleichen Namens und Gemahlin Kaiser Otto II. war.
Für dieses Ereignis, das 1952 stattfinden sollte, stellte man einen Projektchor aus allen Essener Kirchenchören zusammen. Der blieb wider Erwarten auch nach dem Jubiläum aktiv und fand mit Pfarrer Paul Heinrichs von der Frohnhauser Elisabeth-Kirche und dem emeritierten orthodoxen Bischof Ivan von Gardner tatkräftige Unterstützer. Aus dem Projektchor entstand zunächst der Johannes Damascenus-Chor. Zehn Jahre später schlug die Geburtsstunde des Romanos-Chors. Zwei Chöre für die gleiche ungewöhnliche musikalische Nische?
Hohe sprachliche Hürde
„Eine starke Fraktion wollte uneingeschränkt die orthodoxe Musik pflegen. Bis heute. Die fand sich dann 1961 zum Romanos-Chor zusammen. Eine andere Fraktion widmete sich damals auch anderer Musik - und blieb beim Johannes Damascenus-Chor“, so Ernst-Peter Brust. Der Vorsitzende des Romanos-Chors sieht heute keine Gräben zwischen den Ensembles. Beide hätten ihren Stil entwickelt, ihre Fans und Mitglieder. Von Konkurrenz mit dem zahlenmäßig stärkeren Bruder wollen die 30 Romanos-Sänger nichts wissen.
Sie haben seither versucht, sich zu perfektionieren. Dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in den 1990-er Jahren auch Sänger aus orthodoxen Ländern zum Chor fanden, empfindet man als große Bereicherung. Denn die sprachliche Hürde - man singt Kirchenslawisch, eine altertümliche Form des heutigen Russisch - ist für die 20 Deutschen im Chor hoch. „Im Gegensatz zu den Deutschen können wir das Meiste verstehen“, sagt Svetlana Suchkova. Es sei eher wie ein russischer Dialekt. Die junge Russin, die auch einmal ein WAZ-Praktikum absolvierte, wurde übrigens durch diese Zeitung auf den Chor aufmerksam.
Feuerprobe in der Höhle des Löwen
Seit die russische Diplomchorleiterin Lisa Abuliak den Chor 1994 übernahm, ging es ständig bergauf. Höhepunkt in diesem Jahr war eine Einladung nach Moskau. Dort gab der Chor Konzerte - und sang bei der Osterliturgie in der Jelochow-Kathedrale, einer der wenigen Kirchen, die auch unter der kommunistischen Diktatur geöffnet blieben. Für die Essener eine große Ehre. Nicht nur, weil normalerweise keine Nicht-Orthodoxen die Liturgie gestalten dürfen. „Auch, weil wir die Feuerprobe in der Höhle des Löwen bestanden haben“, so Lisa Abuliak, die sich nun auf den Moskauer Gegenbesuch zum Chorjubiläum freut.
Das Festkonzert gibt der Romanos-Chor am Samstag, 1. Oktober, um 19 Uhr in der Erlöserkirche an der Friedrichstraße mit Werken u.a. von Tschaikowsky, Rachmaninow aber auch Maxim Beresowski aus dem 18. Jahrhundert. Einen Teil des Konzerts gestaltet der orthodoxe Priester Vater Alexej von der Moskauer Jelochow-Kathedrale mit. Dort wirkte der Essener Chor in diesem Jahr bei der Osterliturgie mit.