Essen. .

Stadtarchäologen stoßen in jüngster Zeit häufiger auf Funde aus dem Zweiten Weltkrieg und fragen sich: Warum war das nicht schon früher der Fall? Klar ist, dass Funde aus der Kriegszeit ein sensibles Thema sind - noch heute.

Der saure, aggressive Boden hat seine Spuren hinterlassen. Der Lack ist ab, das Metall ist von Rost zerfressen. Und dennoch lässt die Form keinen Zweifel aufkommen, worum es sich hier handelt: um einen deutschen Stahlhelm aus dem Zweiten Weltkrieg.

Mehr als ein halbes Jahrhundert lag der Helm in der Erde vergraben - bis ihn ein Bagger bei Bauarbeiten an der Straße wieder ans Tageslicht beförderte. Welcher Soldat ihn wohl einst getragen hat? Welche Geschichte sich hinter diesem Fund verbirgt? Stadtarchäologe Detlef Hopp zuckt mit den Schultern, während er den Helm mit dem markanten Hals- und Nackenschutz betrachtet.

Vergrabene Gewehre

Der Stahlhelm von der Hatzper Straße ist einer von einem halben Dutzend Hinterlassenschaften des letzten Krieges, auf die Archäologen in diesem Jahr gestoßen sind. Nur einen Steinwurf entfernt, an der Humboldtstraße, waren es die Überreste von vier Wehrmachts-Karabinern. Die Gewehre werden derzeit restauriert. Auch ihre Geschichte liegt vorerst im Dunkeln. Irgendjemand muss sie vergraben haben. „Vielleicht um sie vor den anrückenden Amerikanern zu verstecken?“, fragt Hopp. Es bleibt Spekulation.

Allein die Zahl der Weltkriegs-Funde wäre nicht weiter der Rede wert. Nur: „In den letzten 20 Jahren gab es nicht einen einzigen“, berichtet Stadtarchäologe Hopp. Abgesehen von spektakulären „Zufallstreffern“ wie im Frühjahr 2006 auf der Margarethenhöhe, als bei Ausschachtungsarbeiten für ein Seniorenheim an der Stensstraße ein fast 2,50 Meter langer, dreiflügliger Flugzeugpropeller freigelegt wurde. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich um den Propeller eines Mosquito- oder Lancester-Bombers, der bei einem Angriff der Alliierten über Essen niedergegangen war. Die Hoffnung, über die Seriennummer das Schicksal der namenlosen Piloten zu klären, erfüllte sich nicht. Der Propeller hängt heute im Ruhrmuseum auf Zollverein.

Devotionalien-Börsen

Und sonst? Detlef Hopp hält es für ausgeschlossen, dass nicht schon früher bei Bauarbeiten Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg ans Tageslicht gekommen sind. Aber was ist damit geschehen? Wurden die Funde als Kriegsschrott einfach untergegraben oder entsorgt? Landeten sie vielleicht auf Flohmärkten oder in Devotionalien-Börsen im Internet? Oder teilten sie das „Schicksal“ jenes Ersatztanks eines deutschen Jagdflugzeuges vom Typ ME 109, der ebenfalls bei Bauarbeiten in Haarzopf auf einer Baggerschaufel lag?

Noch am selben Tag war der Behälter plötzlich verschwunden. Erst nachdem die Stadtarchäologie über die Zeitung Zeugen des Diebstahls suchte, tauchte der Metalltank plötzlich wieder an der Fundstelle auf - um nur wenige Stunden später auf Nimmerwiedersehen erneut zu verschwinden. Man darf annehmen, dass sich der Dieb weniger für den Sammlerwert interessierte als für den Schrottwert.

Ein sensibles Thema

Man mag dem unbekannten Täter zugute halten, dass er nicht gewusst haben mag, was er da mitgehen ließ. Doch auch dieses Beispiel ist für Stadtarchäologe Hopp ein Beleg für den geringen Stellenwert, der Funden aus der Kriegszeit eingeräumt wird. Ob es an dem vergleichsweise geringen zeitlichem Abstand zum historischen Ereignis liegt oder an den negativen Erinnerungen, die das kollektive Gedächtnis verbindet?

„Es ist ein sensibles Thema“, sagt Hopp. Gerade in Essen, der ehemaligen Kanonenstadt, tut man sich schwer mit diesem Kapitel der Geschichte, schwerer als anderswo, ist der Archäologe überzeugt. Krupp war nur ein Waffenlieferant von vielen lautet die Botschaft der kürzlich eröffneten Dauerausstellung im „Haus der Essener Geschichte“. Historisch mag das richtig sein, Selbstverständnis und Wahrnehmung waren damals eine andere. Und kommt es nicht darauf an, will man Geschichte verstehen?

Über Funde aus der Kriegszeit, diese Erfahrung hat Hopp gemacht, macht man im Zweifel wenig Aufheben - und schweigt.