Essen.
Bücher über Essen oder solche, in denen die Stadt eine tragende Rolle spielt, sind auch in diesem Jahr wieder pünktlich zu Weihnachten neu auf dem Markt gekommen. Im folgenden eine Auswahl nach Sichtung in den Essener Buchhandlungen.
Frische Fotos und gute Texte, die weitgehend frei sind von abgegriffenen Klischees: Ulrike Vetter und Frank Vinken haben ein kleines Wunder vollbracht. Sie haben dem ziemlich abgenudelten „Bildband“-Genre neues Leben eingehaucht, und allein das ist wirklich eine Leistung. „Essen - Ansichten und Einblicke“, so der Titel, transportiert viel Sympathie für die Stadt, ohne unkritisch zu sein oder sich in peinliche Vergleiche a la „Ruhrhattan“ zu werfen, die noch allemal schief gegangen sind. Ein Buch, das Essen mit der genau richtigen Portion Selbstbewusstsein darstellt. Ulrike Vetters Texte sind kundig und - was das mittelalterliche Essen betrifft - regelrecht gelehrsam. Mitunter wird ja vergessen, dass die Stadt schon vor der Industrialisierung eine lange und bedeutende Geschichte hatte. Und zum Ehrgeiz von Frank Vinken, viele Jahre Fotoredakteur bei der WAZ, gehörte es stets, Orten, die zigfach fotografiert wurden, noch eine neue Perspektive abzuringen.
Ungebrochen ist die Faszination, die von alten Fotos ausgeht. Darauf setzt Birgit Siekmann in ihrem Buch „Essen - so wie es war“. Sinnvoll eingeteilt in Kapitel wie Wohnungsbau, Grüne Oasen oder Kulturleben breitet die Autorin das Werden und Wachsen, die Zerstörung und den Wiederaufbau unserer Stadt aus. Sie profitiert dabei von dem nahezu unerschöpflichen Fundus alter Bildern im städtischen Fotoarchiv. Sicher, viele der gezeigten Bilder sind Klassiker, an denen man nicht vorbeikommt und die der Interessierte folglich kennt, andere aber aber werden hier erstmals veröffentlicht. Im Gegensatz zu den früheren Bänden aus der „So wie es war“-Reihe besticht dieser durch Umfang und Vollständigkeit und sehr guten Druck.
Detlef Hopp widmet sich Industirearchäologie
Essens Stadtarchäologe Detlef Hopp ist nicht nur ungewöhnlich fleißig, wenn es ums Graben und Sichten geht, sondern auch beim Bücherschreiben. In seinem neuen Band „Industrie. Archäologie, Essen“ widmet sich der noch jungen Disziplin der Industriearchäologie, jenen Exponaten und Zeugnissen, die aus den letzten 200 Jahren stammen und die etwa beim Bau des Thyssen-Krupp-Quartiers ans Tageslicht kamen. Der Autor ist selbst erstaunt, wie schnell Wissen in Vergessenheit gerät - dieses Buch schafft Abhilfe.
Mehrfach in unserer Zeitung besprochen, dennoch in dieser Liste unverzichtbar: Die Biografie von Joachim Käppner über Essens derzeit sicher berühmtesten Bürger: „Berthold Beitz - die Biografie“ schildert gleichzeitig ein gutes Stück der Krupp’schen Firmengeschichte und damit auch der Geschichte Essens. Eines der wichtigsten und besten Sachbücher des Jahres.
Schon eine Weile auf dem Markt, aber noch immer recht frisch: Walter Wandtkes Buch „Aufgewachsen in Essen“ beschreibt charmant in Text und Bild die 1960 und 1970er Jahre in der Stadt. Viele Bilder lassen bei allen um die 50 Erinnerungen wach werden.
Einzigartige Raumkunst im Moltkeviertel
Und noch ein Buch, das alte Zeiten aufleben lässt: „Tief im Westen“ heißt ein Bildband des Fotografen Hans Rudolf Uthoff, der in den 1950er und 1960er Jahren mit wachem Auge für das Skurrile, Anrührende und allzu Menschliche das Ruhrgebiet durchstreift hat. Das beste aus dem Archiv des Fotografen ist in nun in diesem Band versammelt. Man sieht eine Welt, die zeitlich noch nah und doch vollständig untergegangen ist. Eine Welt mit Trümmergrundstücken, rauchenden Schloten und alten Männern, die im Anzug und mit Hut und Krawatte zum Freiluft-Skat gingen. Bevorzugtes „Jagdrevier“ Uthoffs war zwar Bochum, aber auch in Essen sind viele der eindrucksvollen Aufnahmen entstanden.
Auch kleine Bücher soll man schätzen. Ein schmales Bändchen des Journalisten Tankred Stachelhaus soll diese Reihe beenden, „Das Essener Moltkeviertel - weltweit einzigartige Raumkunst“ hat zwar einen allzu donnernden Titel, zeigt aber auf schöne Weise, welche teils unentdeckte städtebaulichen Qualität in Essen existiert.