Essen. .

Eine von der Essen Marketing GmbH beauftragte Studie bescheinigt der Stadt Potenzial und gute Perspektiven. Ob die Industriekultur auf Dauer Besucher anzieht, ist aber noch unklar.

Essen und Tourismus - auch nach dem Kulturhauptstadtjahr will das im Bewusstsein vieler nicht so recht zusammengehen. Zu Unrecht, sagt Prof. Bernd Eisenstein, der im Auftrag der Essen Marketing GmbH (EMG) die wachsende Bedeutung des Tourismus für die Stadt untersucht und mögliche Zukunftsperspektiven aufgezeigt hat. Quintessenz: Mit einem um Steuern und andere Effekte bereinigten Jahresumsatz von 680 Millionen Euro hat der Tourismus in Essen zumindest 2010 eine durchaus relevante Größe erreicht. „Das sollte man nicht vernachlässigen, das entspricht in der Summe der wirtsschaftlichen Bedeutung eines Großkonzerns“ sagt Eisenstein, der mit seinem Fachhochschul-Institut für Management und Tourismus viele Städte und Regionen berät. Nach einer überschlägigen Schätzung sorgten die rund 36 Millionen „touristischen Aufenthaltstage“ pro Jahr zusammen statistisch für 30 000 Vollzeitarbeitsplätze in Essen.

Spätestens an dieser Stelle muss man allerdings deutlich machen: Zugrunde gelegt werden bei diesen Zahlen nicht nur klassische Touristen, sondern auch Besucher, die sich für Verwandtenbesuche oder ausgiebige Einkaufstouren in Essen aufhalten. Bei den Gästen, die in Hotels übernachten, sind wiederum zwei Drittel aus rein geschäftlichen Gründen in Essen, wobei übrigens die Messe eine überragende Rolle spielt. Das sollte man wissen, bevor unangemessene Euphorie in Sachen Freizeit-Tourismus um sich greift. Immerhin aber: „Die Aufenthaltstage sind die eigentliche Währung im Tourismus“, sagt Eisenstein. Auch wer als Sofa-Tourist bei der Tante übernachte, lasse in Essen Geld. Und genau das, so der Wissenschaftler, sei entscheidend.

Wenige glauben, dass man in Essen gut Radfahren kann

Wissenswertes für Kongress-Veranstalter

www.essen.convention.de ist der Name einer neuen Internetseite, mit der die Essen Marketing GmbH sich intensiv um die Bedürfnisse von Geschäftsreisenden und Kongressveranstaltern kümmern will. Interessierte finden unter der seit gestern frei geschalteten Adresse Tagungsräume, Tagungshotels, besondere Tagungsorte sowie Wissenswertes rund um den Kongress-Service in Essen. In kompakter Form sind die Inhalte der zweisprachigen Seite auch in einer neuen Broschüre zusammengefasst, die an viele Anbieter versandt wurde und auch in der Touristikzentrale im Handelshof zu haben ist.

Im Ruhrgebietsrahmen, vor allem aber im bundesweiten Vergleich mit anderen deutschen Großstädten könne sich Essen zudem über beachtliche Wachstumsraten bei den Übernachtungen freuen. In diesem Segment konnte die Stadt von 2000 bis 2010 um fast 50 Prozent zulegen, während es im Ruhrgebiet bei rund 35 Prozent blieb und bundesweit nur magere 10 Prozent Steigerung registriert wurden. Die Statistik zeigt auch, dass sich nur ein relativ geringer Teil des Essener Ergebnisses auf die Sondersituation während des Kulturhauptstadtjahres zurückführen lässt.

Was treibt Touristen nun ausgerechnet nach Essen? In einer repräsentativen Umfrage hat Eisenstein 1000 Deutsche nach bestimmten touristischen Motiven im Zusammenhang mit der Ruhrstadt gefragt. Wenig überraschend: 48 Prozent können sich vorstellen, der Industriekultur wegen die Stadt zu besuchen, 41 Prozent vermuten in Essen interessante Events, 36 Prozent haben etwas von guten Einkaufsmöglichkeiten gehört und 33 Prozent zieht es generell wegen der Kultur hierhin. Mit Kulinarischem (16 %), dem Radfahren (15%) und mit Wellness-Angeboten (9 %) erreicht Essen das breite Publikum schon nicht mehr, einen richtigen Natururlaub können sich nicht ganz zu Unrecht sogar nur mickrige fünf Prozent vorstellen. Und dass Essen überdurchschnittlich gesundheitsfördernd ist, glauben nur noch ganze vier Prozent.

Alleinstellungsmerkmal Industriekultur

Für EMG-Geschäftsführerin Eva Sunderbrink ist damit klar, dass die begrenzten Mittel der städtischen Tourismuswerbung vor allem dem Alleinstellungsmerkmal Industriekultur gelten sollten. Das rät auch Bernd Eisenstein, der allerdings von einem „Nischenthema“ spricht, dessen langfristige Anziehungskraft sich noch erweisen müsse. „Ich wünsche es der Stadt, aber wissen kann das keiner.“

Da die Essener Naturlandschaften oder das Wellness-Angebot mit anderen Regionen tatsächlich kaum mithalten können, sollte man potenziellen Touristen auch nicht das Gegenteil einreden. Hingegen könnte ruhig noch bekannter werden, dass die Stadt über attraktive Freizeitradrouten verfügt, die sich zudem gut mit dem Thema Industriekultur verbinden lassen. So sieht es auch Eva Sunderbrink, die eine stärkere Verknüpfung dieser „Kompetenzen“ anstrebt. Und auch Eisenstein weiß: „Gerade wer mit dem Fahrrad die Industriekultur entdeckt hat, ist begeistert.“