Essen. Hat die Kulturhauptstadt dem Ruhrgebiet auf dem Weg zur Metropole geholfen? Die Ruhr2010-Macher stellten jetzt einen Bericht vor, der dieser Frage nachgeht. Immerhin ist die Schaffung einer Metropole Ruhr oberstes Ziel von Ruhr2010 gewesen.
Was von der Kulturhaupstadt auf Dauer bleiben wird, kann selbst deren Geschäftsführer Oliver Scheytt nicht sagen. „Wie nachhaltig Ruhr2010 gewirkt hat, wird man in drei, vier Jahren wissen.“ Doch die Frage nach dem unmittelbaren Erfolg haben Scheytt und seine Mitstreiter gestellt - an das Zentrum für Kulturforschung, und dort namentlich an Prof. Dieter Haselbach.
Metropolen-Werdung und mediale Außenwirkung
Der hat nun einen 100-seitigen, zweisprachigen Evaluationsbericht vorgelegt, der sich vor allem mit der titelgebenden Frage „Mit Kultur zur Metropole?“ befasst. Die Schaffung einer Metropole Ruhr sei oberstes Ziel des Kulturhauptstadtjahres gewesen, behauptet Haselbach. Er habe überprüft, wie gut das erreicht worden sei. Dazu habe man 35 ausführliche Interviews mit Kulturschaffenden und -verwaltenden, mit Bildungsbürgern und Visionären geführt.
Mancher Gesprächspartner habe schon qua Funktion mit dem Metropolen-Ansatz gehadert: Etwa weil er als Verantwortlicher vor Ort eher an den Etat in der eigenen Stadt als an die Kulturregion dachte. Andere hätten ein eher abgehobenes Kulturverständnis und massenwirksame Projekte rundweg abgelehnt. Und doch habe gerade ein solches Massenereignis wie das Stillleben auf der A 40 der Metropolen-Werdung gedient. Nicht nur weil sich hier Bürger aus dem gesamten Ruhrgebiet an einen Biertisch setzten, sondern wegen der medialen Außenwirkung. „Dieses absurde Projekt hat starke Bilder geliefert, die dem Thema dienten.“
Der Städte-Egoismus blieb
Schon zu Beginn des Kulturhauptstadtjahres habe die FAZ in einem Artikel gefragt, ob das Ruhrgebiet eine Metropole sei, und damit eine Debatte angestoßen, die inzwischen in einer Diplom-Arbeit Niederschlag gefunden habe. Kurz, die Kulturhauptstadt habe ihr vorrangiges Ziel erreicht, resümiert Haselbach. Er verschweigt aber nicht, dass einige Interviewpartner das Wunschziel „Metropole Ruhr“ kategorisch infrage stellten.
Allgemein sei die Identifikation zwar da, doch fehle es an vielen Stellen an gemeinsamen Entscheidungsstrukturen. Der „Städte-Egoismus“ sei noch lange nicht überwunden. Hier und im formulieren neuer Ziele sieht Haselbach den Schlüssel zu einer nachhaltigen Perspektive für die Region. Vom vielfach geäußerten Wunsch, besonders populäre Projekte einfach zu wiederholen, hält Haselbach nichts: „Sie können nicht ewig Kulturhauptstadt spielen, die Spannung ist nicht zu halten.“
Was wird fortgesetzt?
Es gebe jedoch, ergänzt Scheytt, viele Projekte, die fortgesetzt werden oder fortleben. Etwa die Zusammenarbeit der Ruhrkunstmuseen oder die Emscherkunst, der Kulturkanal oder „Die Schönheit der großen Straße“. Dazu zähle außerdem das spektakuläre Twins-Projekt, das die Städtepartnerschaften neu belebt und 30 000 Aktive aus 39 Ländern zusammengebracht hat. Sorge hat Scheytt dagegen um den Online-Veranstaltungskalender für das Ruhrgebiet, den Ruhr2010 nicht auf Dauer fortsetzen könne. „Das ist ein Vermächtnis, für das wir noch einen Erben suchen.“