Essen.

Obwohl der Baldeneysee als Stolz der Stadt gilt, gleichen ganze Uferabschnitte Ruinenlandschaften, verrotten denkmalgeschützte Bauwerke. Und die Behörden behindern frische Ideen, etwa die von Architekt Marco Padoan und Ingenieur Ursus Wegst.

Er ist Ausflugsziel, Fotomotiv, Stolz der Stadt. Gleichzeitig wundert man sich, dass seine schönsten Ufer verwahrlosen, denkmalgeschützte Bauwerke verrotten und Baustellenschilder von längst gescheiterten Projekten künden. Der Baldeneysee werde unter Wert verkauft, glauben der Architekt Marco Padoan und der Ingenieur Ursus Wegst aus Rüttenscheid. Einen engen Uferweg, mäßige Gastronomie und den teilweise versperrten Seeblick, prangerten sie vor einem halben Jahr in der WAZ an.

Coolness-Faktor fehlt

Solcher Wurschtigkeit stellten sie eine kühne Vision entgegen: Da verbinden sie den S-Bahnhof Hügel mit dem Seeufer durch eine Brücke, die in einer 28 Meter hohen Aussichtsplattform gipfelt, da fordern sie vom Regattaturm bis zum Schloss Baldeney eine durchgängige Promenade, die nicht hinten um das Seaside-Beach-Gelände herumgeführt wird. Treppen sollen ins Wasser führen, Pontons zum Verweilen einladen, ein Badeschiff nach Berliner Vorbild vor Anker gehen. So hebe man den „Coolness-Faktor“ am Baldeneysee an, findet Wegst.

Und man erregt Aufmerksamkeit: So war Baudezernentin Simone Raskob von dem Gedankenspiel jenseits von Wirtschaftlichkeitsprüfung und planungsrechtlichen Fragen angetan. Im Herbst lud sie die beiden Visionäre ein, ihre Ideen im Rathaus zu präsentieren. Vor Vertretern von Grün & Gruga, Sport- und Bäderbetrieben, Umweltamt und Gesundheitsamt. Sie alle tragen Verantwortung für den See, der eine für die Wasserqualität, der andere fürs Seaside-Beach-Gelände, der Dritte für ein Stück des Uferwegs.

Abgesehen davon, dass in vielen Fragen noch der Ruhrverband mitredet, konnten Padoan und Wegst schon bei den städtischen Stellen „kein übergeordnetes Denken“ feststellen. Gegen beinahe jedes Detail ihres Plans habe es Einwände gegeben. „Das sind pure Verhinderungsstrukturen“, resümiert Wegst. Raskob habe wacker versucht, zumindest ein Detail zu retten: „Sie warb für das Badeschiff.“

„Wir befinden uns in einem dauerhaften Optimierungsprozess“

Wenn man die Dezernentin nach dem Treffen fragt, verweist sie auf leere Kassen und das genehmigungsrechtliche Korsett. Wo Wegst und Padoan von Stillstand am See sprechen, sagt Raskob: „Wir befinden uns in einem dauerhaften Optimierungsprozess.“ Bleibt das Badeschiff, das die Dezernentin schon aus ihren Berliner Zeiten kennt. „Das hat mich fasziniert!“ Es gebe auch eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Sport- und Bäderbetrieben und den Seaside-Betreibern, die das Projekt prüfe.

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„Das wäre eine zusätzliche Attraktion für uns“, bestätigt Seaside-Geschäftsführer Holger Walterscheidt und klingt dabei nicht gar so enthusiastisch wie Simone Raskob. Was auch daran liegen mag, dass er das Schiff bezahlen müsste. Inklusive einer aufwendigen Badesteg-Konstruktion hätten die Berliner mehr als 500 000 Euro investiert, selbst wenn er etwas bescheidener plane, lande er bei Kosten von knapp 300 000 Euro. Wer wisse schon, ob die Gäste für eine „Planschmöglichkeit“ bereit seien, einen höheren Eintrittspreis zu bezahlen?

Walterscheidt ist kein notorischer Bedenkenträger, aber er betreibt das Seaside Beach seit sechs Jahren und weiß, „wie viele Behörden ihren Senf dazu geben, wenn ich hier ein Schiff hinlegen will“. Im übrigen funktioniere das Konzept mit Klettergarten, Kanustation, Surf- und Tauchschule ja auch so. 60-80 000 Besucher kommen in der von Mai bis Ende September laufenden Saison. Im Winter verzichtet er auf den Eintritt und öffnet die Tore; doch die Idee von Padoan und Wegst, die Promenade ganzjährig freizugeben, findet er abwegig. Allein über die Bar hole er Pacht und Instandhaltungskosten nicht rein.

Die Fähre verfällt

Auch die Stadt als Eigentümerin des Geländes hat wohl kein Interesse, ihrem Pächter eine Freigabe des Uferwegs vorzuschreiben. Immerhin ist das Seaside Beach eine der Erfolgsgeschichten am See - und man muss nicht weit gehen, um den Misserfolg zu besichtigen: Da gelangt man an die „Baldeneyer Fähre“, die einst mit gutem Essen und Idylle punktete. Heute ist hier Verfall. Das Haus verwittert, die Terrasse verwildert, große Pläne beerdigt. Schon vor fünf Jahren verkündete ein kleines Schild: „Umbau und Erweiterung einer bestehenden Gaststätte“. Zwei Jahre später war die Gaststätte dicht, das nächste Baustellenschild wurde größer: „Umbau der Gaststätte Baldeneyer Fähre sowie Erweiterung zu einem Freizeit- und Saunabetrieb mit Schwimmbädern“ steht da.

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    Bauherrin ist und war Doris Schmitz-Grothaus. Gebaut hat sie tatsächlich: Auf dem Parkplatz einen nicht genehmigten Bau, den die Stadt stilllegte. „Das ist eine Ruine - und wir wünschten, dass sie entfernt würde“, sagt Detlef Robrecht, Abteilungsleiter im Amt für Stadtplanung und Bauordnung. Gebaut hat Schmitz-Grothaus auch ein klotziges Haus neben der Fähre; mit einer „Baugenehmigung von anno tuc“, wie Amtsleiter Thomas Franke sagt.

    Bloß die Gaststätte verfällt weiter. Einschreiten könne die Stadt nur, wenn akute Gefahr herrsche, sagt Robrecht. „Obwohl es schön wäre, wenn Eigentümer ihren Instandhaltungspflichten nachkämen.“ Wie Schmitz-Grothaus dazu steht, lässt sich nur erahnen: Ein Telefonat mit der WAZ beendete sie nach Sekunden, indem sie auflegte.

    „Es wäre schön, wenn wieder etwas Leben ins Schloss Baldeney käme“

    Von hochfliegenden Plänen und tiefen Enttäuschungen kann auch das nahe Schloss Baldeney erzählen: Sitz der RAG-Stiftung sollte es werden und Gesundheitszentrum, im „Tatort“ trat es als Schlosshotel auf, im wahren Leben haftet ihm ein Ruf als Problem-Immobilie an. Nach der Insolvenz von Schlossherr Friedel Winkelmann fiel das denkmalgeschützte Bauwerk der Sparkasse zu. An Interessenten, die sich durch die 15 Zimmer und über das Gelände führen lassen, mangele es nicht, sagt Felix Nolte, der die Immobilie für die Sparkasse betreut. Bloß suche man einen seriösen Käufer, der nicht nur vier Millionen Euro und Mittel für eine Sanierung mitbringt, sondern auch ein schlüssiges Konzept.

    Detlef Robrecht, der die Verhandlungen für die Stadt begleitet, ist da recht offen: Ob Hotel oder Schulungszentrum sei zweitrangig, auch eine Gastronomie sei denkbar. Auf dem Gelände habe es ja früher die Seeterrassen gegeben, die vor Jahren einem Feuer zum Opfer fielen. „Es wäre schön, wenn wieder etwas Leben ins Schloss Baldeney käme. Bloß wenn da einer rote Birnen reinschrauben wollte, hätten wir etwas dagegen.“