Essen/Berlin. .

Essen wird eine von bundesweit 18 Modell-Städten zur Integrationsvereinbarung. Darin verpflichten sich Zuwanderer, die deutsche Sprache zu lernen und die Wertegrundlage zu akzeptieren. Der Staat versichert in dem Vertrag konkrete Hilfe bei der Eingliederung.

Essen wird Modell-Stadt: Zuwanderer unterschreiben einen individuellen Integrationsvertrag mit der deutschen Gesellschaft. Darin verpflichtet sich der Staat, dem Migranten konkrete Hilfe bei der Eingliederung zu gewähren. Umgekehrt verpflichtet sich der Zuwanderer dazu, die deutsche Sprache zu lernen und die Wertegrundlage seines neuen Heimatlandes zu akzeptieren. Dazu gehören etwa die Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Frau.

Am 1. April startet die Bundesregierung das Projekt „Integrationsvereinbarung“ in bundesweit 18 Modellkommunen - darunter sind in Nordrhein-Westfalen Essen und Hamm. Wie Oliver Mohr, Sprecher der zuständigen Staatsministerin im Kanzleramt, Maria Böhmer, gestern auf Anfrage dieser Zeitung sagte, soll in der Integrationsvereinbarung festgeschrieben werden, mit welchen Voraussetzungen Zuwanderer nach Deutschland kommen und welche Hilfen sie etwa beim Spracherwerb, bei der Ausbildung oder der Kinderbetreuung benötigen.

„Show-Geschäft ohne Substanz“

Umgekehrt sollen die Zuwanderer beim verpflichtenden Spracherwerb oder bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen unterstützt werden. „Eine Mustervereinbarung ist in Arbeit. Aber jede Kommune kann das individuell handhaben“, sagte Böhmers Sprecher. Die vor Ort ansässigen Ausländer- und Migrationsbeauftragten seien bereits informiert. Nächste Woche soll das Projekt im Kanzleramt offiziell vorgestellt werden. Nach 18 Monaten will die Bundesregierung bewerten, ob sich die Integrationsvereinbarungen bewährt haben. Im Falle eines positiven Ergebnisses sollen sie bundesweit zum Einsatz kommen. Ausländerverbände kritisieren das Vorhaben als „Show-Geschäft ohne Substanz“.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat bereits 2009 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, innerhalb dieser Wahlperiode das Instrument eines Integrationsvertrages zu schaffen. Nach den Worten Böhmers soll der Schwerpunkt dabei stärker bei den Anreizen als bei Sanktionen liegen.

Essener zu Sarrazin

Ulla Höhne (72) aus Essen:
Ulla Höhne (72) aus Essen: "Sarrazins Kernthesen sind an sich stimmig. Aber dass er von einem vermeintlichen jüdischen Gen redet, stört mich und macht viele seiner richtigen Aussagen kaputt." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Jonas Schwendrat (23) aus Essen:
Jonas Schwendrat (23) aus Essen: "Wer gesellschaftliche Verantwortung trägt, muss konkrete Vorschläge liefern und kein Stammtischgeschwätz. Dass er die Integration thematisiert, finde ich aber gut." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Siegfried Gehrmann (73) aus Rüttenscheid:
Siegfried Gehrmann (73) aus Rüttenscheid: "Es ist falsch, Sarrazins komplettes Buch wegen einiger isolierter Zitate abzulehnen. Integration ist ein Tabuthema, deswegen ist die Debatte wichtig." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Rainer Göbel (49) aus Duisburg:
Rainer Göbel (49) aus Duisburg: "Sarrazins Sprüche haben wir doch alle schon mal gehört. Populismus ist bei einem so schweren Thema wie der Integration völlig fehl am Platze. Die Diskussion wird schnell verpuffen." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Elke Hövel (49) aus Steele:
Elke Hövel (49) aus Steele: "Wenn ich in ein fremdes Land gehe, muss ich mich den Gegebenheiten anpassen. Das tun viele, aber nicht alle Zuwanderer. Die Politik hat bei der Integration versagt." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Besarta Qerkini (18) aus Essen:
Besarta Qerkini (18) aus Essen: "Ich bin Muslimin, komme aus dem Kosovo und lebe seit 17 Jahren in Deutschland. Und ich muss sagen: Sarrazin hat Recht, wenn er sagt, dass viele Muslime unter sich bleiben wollen." Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
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Gute Erfahrungen mit einem Projekt, das in die gleiche Richtung zielt, macht nach Angaben eines Sprechers seit Jahren die hessische Stadt Wiesbaden. Dort wurde bereits 2007 eine Integrationsvereinbarung zwischen der Kommune und den dort ansässigen muslimischen Gemeinden unterzeichnet.