Recklinghausen. .

Über mangelnde „Integration“ vieler Zuwanderer wird seit Jahren diskutiert. Recklinghausen weist mit einer außergewöhnlichen Vereinbarung praktische Wege, wie das Zusammenleben von Migranten und Einheimischen konfliktfreier werden kann.

Das Regelwerk steht vor dem Abschluss, es fehlen nur noch die Unterschriften des Bürgermeisters und der Vertreter der Migrantenselbsthilfeorganisationen. „In 70 Konferenzen und zahlreichen Einzelgesprächen haben wir alle Gruppen einbezogen, auch viele muslimische Frauen. Das Ergebnis ist eine von allen getragene Selbstverpflichtung und Verbindlichkeit. So etwas Konkretes gibt es bisher in Deutschland nirgendwo“, lobte bei der abschließenden Beratung im Sozialausschuss Monika Hegemann-Lescher, Leiterin des städtischen Inte­grationsbüros.

Alltägliche Konflikte besser lösen

Ausgangspunkt seien alltägliche Konflikte, die in Kindergärten, Schulen, Stadtteilen, beim Sport und in Vereinen immer wieder auftreten. Hierfür Regeln und Lösungen zu finden, das sei das Anliegen dieser Integrationsvereinbarung und zugleich ihre Stärke, meinte auch Sozialdezernent Georg Möllers.

Sprachförderung, Teilnahme an Klassenfahrten, Kleidung beim Schwimmen, Kennzeichnung der Mittagsverpflegung, der Umgang mit religiösen Feiertagen oder mit Moschee-Bauten – das Spektrum der Themen ist breit. Ein Zwischenbericht, der die Diskussion der letzten zwei Jahre bilanziert, zeigt auf, dass es insbesondere unter den türkisch-muslimischen Gruppen sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. „Das sind zum Teil gegensätzliche Positionen. Trotzdem begrüßen alle Mi­grantenvereine diese Vereinbarung und tragen sie ausdrücklich mit“, sagte Hegemann-Lescher. Andererseits sei zunächst auch nicht mehr als eine Grundlage geschaffen: „Wie sich das in der Praxis entwickelt, wie demnächst konkrete Konflikte gelöst werden, muss sich erst noch zeigen“, gestand sie offen ein.

Begriff der „Integration“ ist nicht klar definiert

Im Sozialausschuss stimmte auch WIR-Ratsmitglied Georg Schliehe der Vereinbarung zu. Er äußerte aber auch deutliche Kritik. „Was wir und was die verschiedenen Migrantengruppen unter ,Integration’ verstehen, wird gar nicht definiert. Das ist ein entscheidender Mangel.“ Schliehe fehlt auch die Auseinandersetzung mit fundamentalistischen Strömungen des Islam: „Es gibt solche, die das Leben bis in den privatesten Bereich auf eine Weise regeln, die mit unseren Vorstellungen von Kindererziehung oder der Gleichstellung von Frauen und Männern nichts gemein haben“, so Schliehe. Die Vereine seien hier nicht der richtige Partner: „Wir müssen die Mi­granten direkt erreichen.“ Eine Aufgabe der Zukunft auch aus Sicht des Ausschussvorsitzenden Ulrich Hempel (CDU): „Wir machen hier eine Politik der kleinen Schritte“, sagte er. Die gefundene Vereinbarung benenne genau solche Schritte und sorge für Transparenz und gegenseitiges Vertrauen.

Das Papier, das demnächst in feierlichem Rahmen unterzeichnet werden soll, bietet auch den Rahmen für eine „Integrationsoffensive“, die CDU, Grüne und FDP per Ratsantrag gefordert haben.