Essen-Altenessen. .
Die Awo-Umfrage im Brennpunkt Altenessen hat ergeben, dass mehr als jeder zweite Bürger sich in seinem Alltag bedroht fühlt. Viele haben bereits resigniert. Sie meiden Orte, die sie als bedrohlich empfinden. Die Stadt will gegensteuern.
Als die WAZ im Dezember Interviewer der Awo-Jugendhilfe auf dem Altenessener Markt begleitete, um zu erfahren, wie sicher sich die Bürger in ihrem Stadtteil fühlen, zeichneten jene, die sich äußerten, ein erschreckendes Stimmungsbild. Viele redeten sich ihre Ängste von der Seele, ihre Sorgen, ihren Frust, weil sie sich bedroht fühlen, weil sie angepöbelt oder beschimpft worden sind. Es war eine Momentaufnahme. Mehr nicht.
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Jetzt hat das Netzwerk Jugendhilfe der Awo seinen Abschlussbericht vorgelegt, den es im Auftrag der Stadt erstellt hat. Das Ergebnis ist nicht weniger besorgniserregend. 57,1 % der Befragten äußerten sich negativ zum Thema Sicherheit, unter den Senioren waren es so gar 75 %. Jeder Dritte bringt dieses Unsicherheitsgefühlt in Zusammenhang mit dem Verhalten von Migranten. Jeder Fünfte beklagte sich über Aggressionen, über Pöbeleien. Schlimm: 16,4 % haben ihren Lebensalltag längst angepasst. Sie meiden Orte, die sie als bedrohlich empfinden. Sie haben resigniert. Das Ergebnis sei keinesfalls repräsentativ, wie Thomas Rüth von der Awo betont. Aber: „Die Leute beschweren sich zu Recht.“
Jugendliche Intensivtäter
Im Sommer vergangenen Jahres hatte die WAZ den Stein ins Rollen gebracht mit einer Reportage über die Zustände rund um den Bahnhof Altenessen. Nun zeigt sich, auch der Karlsplatz, das Allee-Center, der Kaiser-Wilhelm-Park und der Westerdorfplatz werden als unsichere Orte genannt. Libanesische Jugendliche gerieten damals in den öffentlichen Fokus. Gegenüber der Awo äußerten sich nun 14,5 % der Befragten negativ gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe. „Sind’s nur die Libanesen“, fragt Thomas Rüth und gibt selbst die Antwort: „Das wäre toll, dann hätten wir einen Schuldigen. Aber ich glaube, so einfach ist es nicht.“ Als Beleg führt der Sozialarbeiter jugendliche Intensivtäter an; unter den 17 Jugendlichen, die in Altenessen polizeilich geführt werden, sind elf Deutsche und zwei Libanesen.
Es ist eher ein diffuses Unsicherheitsgefühl, das die Befragten wiedergeben. Gespeist wird es aus konkreten Erfahrungen, aber auch von Konflikten, die für Schlagzeilen gesorgt haben. „Seit einigen Jahren haben wir hier Auseinandersetzungen zwischen drei libanesischen Familien“, so Rüth. Trauriger Höhepunkt: eine Massenschlägerei mit mehr als 100 Beteiligten mitten auf der Altenessener Straße. „Wenn Sie das als Bürger erleben, dann glauben Sie, hier herrscht Bürgerkrieg.“
„Spitze des Eisbergs“
Nein, Bürgerkrieg herrscht in Altenessen nicht. In der Kriminalitätsstatistik liegt der Stadtteil zwar vorne, Gegenüber der Awo gaben 12 % der Befragten an, schon einmal Opfer von Kriminalität geworden zu sein. Provokatives Verhalten, über das sich viele Bürger beklagen, taucht aber in keiner Polizeistatistik auf. Die Awo glaubt eine Gruppe von 20 bis 25 Jugendlichen ausgemacht zu haben, die immer wieder für Ärger sorgen, Deutsche und Migranten seien darunter. Rüth spricht von der „Spitze des Eisbergs“. Andere Mosaiksteine fügen sich ins Gesamtbild: die Trinkerszene am Bahnhof Altenessen, Lieferanten, die in der zweiten Reihe parken, oder ausländische Mitbürger, die auf der Altenessener Straße auch schon mal den Grill anwerfen.
Die Stadt will gegensteuern, so Andreas Bomheuer. Vor der Presse bemühte der für Integration zuständige Dezernent gestern Worte wie Netzwerke, integrative Handlungskonzepte... - Begriffe, die allerdings noch mit Leben gefüllt werden wollen.