Essen. .

81 300 Essener Schüler erhalten am Freitag ihre Halbjahreszeugnisse. Erstmals seit 2007 gibt’s die „Giftblätter“ ohne Urteile zum Sozialverhalten. Den Kopfnoten trauert niemand nach - auch die Lehrer nicht, die dadurch einen erheblichen Mehraufwand schultern mussten.

Auch interessant

Das Halbjahres-Zeugnis, das alle Essener Schüler am heutigen Freitag erhalten, ist das erste Zeugnis ohne so genannte Kopfnoten seit dreieinhalb Jahren. Die Kopfnoten waren im Jahr 2007 wiedereingeführt worden. Benotet worden waren unter anderem Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit der Schüler. Die schwarz-gelbe NRW-Regierung hatte sie eingeführt; die neue, rot-grüne Regierung wieder abgeschafft. Gleiches gilt für „verbindliche Empfehlungen“ auf Grundschulzeugnissen, was den Besuch einer weiterführenden Schule angeht.

Kopfnoten waren in den Sechziger und Siebziger Jahren erstmals abgeschafft worden. Sie galten als überholt. Noch nach dem Krieg waren nicht nur schulische Leistung en benotet worden, sondern auch „Charakterliches Streben“ und „Äußere Haltung“. „Die Kopfnoten haben uns immer erhebliche Mehrarbeit bereitet“, sagt Elmar Prinz, Sprecher der Gymnasialdirektoren-Konferenz. Die Konferenzen allein für Kopfnoten hätten einige Tage in Anspruch genommen.

„Andere Mittel und Wege, Schülern soziale Defizite mitzuteilen“

Entsprechend überschaubar ist das Bedauern bei Schulleitern und Lehrern über den Wegfall der Kopfnoten. Zwar könnten die Schulen beschließen, statt der Kopfnoten Bemerkungen zum Sozialverhalten aufs Zeugnis zu setzen, doch an Prinz’ Schule – dem Maria-Wächtler-Gymnasium – hat man darauf verzichtet. Das gilt für die meisten weiterführenden Schulen in Essen. Vermerkt wird in der Regel lediglich besonderes Engagement in einer AG oder in der Schülervertretung.

Auch interessant

Auch Helmut Feldkirchner, Leiter der Geschwister-Scholl-Realschule und Sprecher der 15 städtischen Realschulen, bemerkt nicht ohne Erleichterung, dass der Wegfall der Kopfnoten zu „deutlich weniger Arbeit“ bei der Erstellung der Zeugnisse geführt habe. „Das Schwierige mit den Kopfnoten war ja zuletzt, dass für die Kopfnoten-Konferenzen keinerlei Unterricht ausfallen durfte.“

Leo van Treeck, Sprecher der Essener Gesamtschuldirektoren, hat Kopfnoten ohnehin immer für pädagogischen Unfug gehalten: „Wir haben andere Mittel und Wege, Schülern soziale Defizite mitzuteilen.“ Besonders auf Abgangs-Zeugnissen, die für Bewerbungen wichtig sind, seien Kopfnoten stets fatal gewesen – diese Ansicht teilen selbst Leiter von Schulen, die einen konservativen Ruf haben.

Auf den Zeugnissen der Viertklässler ist der Hinweis, für welche Schule das Kind geeignet ist, erstmals seit dreieinhalb Jahren nicht mehr verbindlich, sondern hat nur empfehlenden Charakter. Nach Angaben von Grundschul-Leitern hat das Hin und Her bei den Empfehlungen keineswegs zu großen Verwirrungen bei Eltern geführt: „Das haben alle sofort verstanden“, sagt Mechthild Bönte, Leiterin der Karlschule in Altenessen. Anke Seifert, Leiterin der Ardeyschule in Rellinghausen, hat die Erfahrung gemacht, dass „Eltern sich ohnehin an unsere Empfehlung gehalten haben“. Deshalb sei der Unterschied, ob die Empfehlungen nun verbindlich seien oder nicht, unerheblich.

„Die Empfehlungen sind fehlerbesetzt“

Falls Eltern sich in den Vorjahren nicht an eine Empfehlung halten wollten, wurde das Kind in einen dreitägigen „Prognoseunterricht“ geschickt, um dessen Leistungsfähigkeit zu testen. Das waren, erinnert sich Siegfried Goßmann, Abteilungsleiter im Schulamt, etwa 80 bis 100 Kinder pro Jahrgang. „Die Leistung von rund zwei Dritteln der Kinder im Prognoseunterricht entsprach dann der Empfehlung der Grundschule.“ Ein Drittel schaffte es, sich für den Besuch einer höheren Schule als empfohlen zu qualifizieren.

Leo van Treeck, Sprecher der Gesamtschulen, hält dagegen, dass 70 Prozent der Absolventen der Erich-Kästner-Gesamtschule, die Abitur machten, früher keine eindeutige Gymnasial-Empfehlung erhalten hätten. „Die Empfehlungen sind fehlerbesetzt, weil Kinder sich in unterschiedlichem Tempo entwickeln. Darauf nehmen die Empfehlungen keine Rücksicht“, kritisiert van Treeck. Entsprechend froh sei er über die Abschaffung deren verbindlicher Funktion.