Essen. . In einem als Speed-Dating arangiertem Unterricht informieren sich Schüler des Essener Helmholtz-Gymnasiums bei Arbeitskräften über Ausbildungswege und den Berufsalltag. Romantik gibt es nicht. Die Schüler löchern die Experten mit kritischen Fragen.

Romantik spielt beim Speed-Dating im Rüttenscheider Helmholtz-Gymnasium keine Rolle. Daran ändern auch die Glasvasen mit Tulpenknospen nichts. Hier sitzen keine Liebespaare, sondern Achtklässler, die Menschen aus der Berufs-Praxis mit Fragen löchern.

Die Gymnasial-Schüler sind am Dienstag beim Tag der Berufsorientierung sozusagen auf die Wirklichkeit fremder Berufswelten getroffen – zumindest bis die Rezeptionsglocke auf dem Klassenpult klingelt. Dann wartet der nächste Gesprächspartner. Zum Beispiel Petra Dreischulte-Brinkmann, zuständig für die Ausbildung bei der Siemens-AG.

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Die 13-jährige Valeria sitzt vor ihr und zückt den Kugelschreiber wie bei einem Verhör: „Wenn sich bei Ihnen ein ungepflegtes, hässliches Mädchen bewirbt, das Abitur hat und eine hübsche Blonde mit Mittlerer Reife? Wen von beiden stellen Sie ein?“ Die Ausbilderin ist überrascht, überlegt kurz. „Fettige Haare gehen bei einem Bewerbungsgespräch natürlich nicht. Bewerberinnen sollten gewachsen sein, mit einer schönen Stoffhose erscheinen und mich mit wachen Augen anschauen.“ „Googlen Sie nach den Bewerbern?“, feuert Leonie, die mit am Tisch sitzt, die nächste Frage ab. Schließlich tickt die Uhr im Hintergrund. „Ja, das machen wir.“

„Aus einem Traum aufwachen“

Das nächste Date: „Was machen Sie beruflich?“, fragt Leonie. „Ich kümmere mich um das Personal von RVG, einer Tochtergesellschaft von Evonik. Ich schaue nach, ob die Bezahlung und die Arbeitszeiten stimmen“, antwortet Claudia Vassiliadis. „Entscheiden Sie auch, welche Leute eingestellt werden?“, hakt Valeria nach. „Wenn wir nicht gerade einen Einstellungsstopp hätten, würde auch das über meinen Schreibtisch gehen.“

Die Schüler sollen durch die Gespräche in lockerer Atmosphäre „aus einem Traum aufwachen“, sagt Ulrike Fels-Hinterwälder, Mittelstufenkoordinatorin. „Viele Schüler denken, dass nach der Schule alles viel spaßiger wird.“ Viele sind in der achten Klasse natürlich noch ohne blassen Schimmer, was sie beruflich machen wollen. Einige können sich den Beruf Lehrer vorstellen.

Große Augen: So viel Zeit an der Universität verbringen?

Da passt es gut, dass der Referendar Bünyamin Demir vor Ort ist und über seine Zeit an einer Krayer Grundschule plaudert. „Dort sind viele Kinder, die zu Hause wenig gefördert werden. Die muss ich zum selbstständigen Lernen animieren.“ Achtklässler Alexander sagt später: „Spannender Vortrag. Aber Lehrer werde ich nicht, da muss ich abends viel zu lange Unterricht vorbereiten.“

Schüler Abdussamed fragt einen weiteren Grundschul-Referendar, Arne Bethke, unverhohlen: „Haben Sie schon mal ein Messer bei Schülern gefunden?“. Die ehrliche Antwort: „Ja, am letzten Freitag erst. Den Fall habe ich an den Schulleiter abgegeben.“ Unbeeindruckt stellen die Schüler die nächste Frage.

Große Augen bekommen sie dann aber doch, als wenig später Dr. Michael Oeter, stellvertretender Leiter eines Essener Achsen-Test-Centers von Thyssen-Krupp, über sein Ingenieur-Studium und die Promotion redet. Elf Jahre lang hat beides zusammen gedauert. So viel Zeit nach der Schulbank an der Uni zu verbringen, können sich die Schüler derzeit nicht vorstellen.