Essen. . Ein Viertel der Kinder an der katholischen Grundschule in Essen-Frohnhausen sind nicht katholisch. Gabriele Günter war dort 26 Jahre Leitern, geht in den Ruhrstand. Ihr Vermächtnis: eine Bekenntnisschule, die offen für Kinder aller Nationen ist.
Es ist nicht bloß ein Name. Es ist eine Haltung. Gabriele Günther, die seit knapp 26 Jahren eine Grundschule in Frohnhausen leitet und jetzt in den Ruhestand geht, hat während ihrer Amtszeit dafür gesorgt, dass sich der Name der Schule ändert. Im Jahr 2000 wurde die „Schule an der Berliner Straße“ umgetauft in „Cosmas und Damian-Schule“.
Cosmas und Damian sind die Essener Stadtpatrone. Sie hängen als steinerne Skulpturen am Rathaus, links neben der Eingangstür. Im Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters gibt es sie als geschnitzte Holzfiguren. Doch Gabriele Günther wollte mit der Umbenennung nicht ihre Verbundenheit zur Stadt Essen ausdrücken. „Es waren Laienpriester der Ökumene. Das ist das Wichtige.“
Ökumene. Sagt die Leiterin einer katholischen Bekenntnisschule.
Stadtteil wandelt sich
Der Stadtteil Frohnhausen wandelt sich. Nach den Dönerbuden halten jetzt die türkischen Bäckereien Einzug. Schon zwischen 1991 und 2004 verlor Frohnhausen 5,4 Prozent deutsche Bevölkerung und gewann das gleiche an „Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ hinzu. So steht es in den Statistikberichten der Stadt. Altendorf und Holsterhausen, die benachbarten Stadtteile, haben noch höhere Werte.
„Es gibt Schulleiter, die sind der Meinung, wo ,katholisch’ drauf steht, muss auch ,katholisch’ drin stecken“, sagt Gabriele Günther. „Dieser Ansicht bin ich nicht.“ Stattdessen solle eine christliche Bekenntnisschule offen stehen für alle Kinder, egal, welcher Nationalität. Egal, welcher Religion.
Ein Viertel der 235 Kinder ihrer Schule ist nicht katholisch. „Wir wundern uns fast ein wenig, dass wir noch so viele katholische Kinder haben.“ Denn im Stadtteil gebe es sie immer weniger. Dennoch, findet Gabriele Günther, „haben wir hier in Frohnhausen immer noch eine gute, solide, soziale Zusammensetzung.“ Sie wohnt selbst hier, hat fast immer hier gewohnt, war als Schülerin selbst hier an dieser Schule, ihre Kinder auch, der zweite Enkel fängt im kommenden Schuljahr hier an. Ihr Vater baute das Haus am Frohnhauser Markt nach dem Krieg gleich wieder auf.
"Ohne zu missionieren"
„Wir wollen den christlichen Glauben verbreiten, ohne zu missionieren“, sagt Gabriele Günther. „Wir sehen uns wie Cosmas und Damian.“ Das heißt: In jedem Klassenzimmer hängt ein Kreuz. Es wird auch gebetet, jeden Morgen. „Es ist ein Bitten um Frieden, für einen Tag ohne Streit, ein Dankgebet. Jedes Kind kann es mitsprechen.“ Muslimische Kinder brauchen dabei ihre Hände nicht zu falten, und wenn irgendwo im Text von Gott die Rede ist, dürften die Kinder leise „Allah“ sagen. „Es ist nicht nur Gebet“, sagt die Schulleiterin, „es ist auch eine meditative Übung, mit der wir in den Unterricht starten.“
Die Kinder der dritten und vierten Klassen besuchten auch den Gottesdienst, mit ausdrücklicher Einverständniserklärung der Eltern. Doch das muslimische Zuckerfest werde nicht verschwiegen im Unterricht; Kinder, die feiern, dürften an jenem Tag zu Hause bleiben und am nächsten Tag laut allen davon erzählen. „Angst macht, was fremd ist“, findet die Schulleiterin. „Wer sich mit anderen Religionen beschäftigt, stellt fest, dass es sich um friedliche Religionen handelt.“ Überhaupt, Frieden und die Nächstenliebe: „Das sind inhaltliche Schwerpunkte von Religionen, mit denen man sich mühelos identifizieren kann.“
Nikolaus aus der Türkei
Entsprechend würden Texte, Lieder und Gebete für den Unterricht ausgesucht. Nikolaus werde gefeiert, aber „eben der St. Nikolaus, der aus der Türkei kommt.“
Am morgigen Freitag wird Gabriele Günther in Pension verabschiedet. „Die Arbeit mit den Kindern wird mir fehlen“, sagt sie. Der neuen Schulleitung wird sie ihre Unterstützung anbieten, wenn sie gefragt wird. „Beim Vorlesen oder im Förderunterricht sehr gerne, ich will mich aber keinesfalls aufdrängen.“
Sie besitzt noch ihre Kladden von 1955, als sie als Drittklässlerin in diese Schule kam. Das Gebäude, 1909 erbaut, hatte damals noch erhebliche Kriegsschäden. „Es sind Löcher in der Wand und nirgendwo Schmuck“, notierte sie damals. Fein geschwungene Mädchenschrift in blauer Tinte auf blütenweißem Papier. „Wir haben keine Blumen, aber der der Herr Lehrer hat die Löcher in der Wand wieder ausgegipst.“
Sie sagt, sie verlässt eine Schule, „die ich vom ersten Tag an geliebt habe.“