Essen. .
Politiker, Bürger und Planer suchten beim Kongress „Mobilität-Werk-Statt“ gemeinsam nach Strategien für eine verbesserte Mobilität im gesamten Ruhrgebiet. Dabei kamen auch Themen wie die Untertunnelung der Ruhrallee oder ÖPNV zur Sprache.
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Mehr als 500 Gäste aus dem gesamten Ruhrgebiet besuchten den Kongress „Mobilität-Werk-Statt“ im Burggymnasium. „Wir waren verblüfft, wie viele Leute zugesagt haben und wie leicht wir Fachreferenten gefunden haben“, sagt Georg Nesselhauf, Sprecher der Bürgerinitiative „Wege für Essen“ (BI). Ursprünglich als BI gegen den Bau des Ruhrallee-Tunnels (A44) gegründet, verabschiedete die Gruppe sich rasch von der „Blockade-Haltung“ und beschloss, konstruktiv nach Wegen für ein neues Mobilitätskonzept zu suchen.
So lautete das Ziel des Kongresses am Samstag: Wege für eine neue Mobilität, die nicht nur Teilbereiche, sondern das ganze Ruhrgebiet verkehrlich entlasten und verschiedene Formen von Mobilität miteinander verbinden, zu suchen. „Nur wenn wir in der Fläche etwas verändern, macht es Sinn“, sagt Nesselhauf, „wenn man mit dem Bus gut bis zur Stadtgrenze kommt und dort geht es dann nicht weiter, setzen die Leute sich lieber wieder ins Auto.“
Vorweg nehmen darf man das Fazit: „Es sind erstaunlich viele realistische, konstruktive und umsetzbare Vorschläge für die Verbesserung der Verkehrsqualität zusammen gekommen“, sagt Werner Rybarski vom Gelsenkirchener Agenda-21-Büro. Spannend sei in diesem Projekt die Zusammenarbeit von Bürgern, die Probleme schilderten und Vorschläge machten und von Entscheidern aus Verkehrsbetrieben, der Verwaltung und der Politik.
Dass das Gespräch mit dem Bürger durchaus gesucht wird, zeigten die Anmeldelisten. Essens Planungsdezernent Hans-Jürgen Best war ebenso zugegen wie Umweltdezernentin Simone Raskob, Vertreter aller Parteien und auch Oberbürgermeister Reinhard Paß. Landes-Klimaschutzminister Johannes Remmel befürwortete das Vorgehen: „Es ist spannend, dass Bürger sich aktiv einbringen und gemeinsam mit der Politik nach Lösungen für verschiedene Probleme suchen.“
Und der Problemlagen gab es viele: In zehn Workshop-Gruppen arbeiteten Bürger und Spezialisten gemeinsam, formulierten Ziele und Aufgaben. In der Gruppe „Stuttgart 21“ wurde die Frage der frühzeitigen Bürgerbeteiligung diskutiert, zu der sich die Kommunalpolitik eine Selbstverpflichtung geben solle. „Das ist eins der Hauptprobleme: Das Planungsrecht ist so kompliziert, dass jemand, der nicht ständig damit zu tun hat, nicht durchblickt. Das hören wir von vielen unserer Mitglieder“, betont auch Klaus Bußmann aus der BI „Wege für Essen“. Die Gruppe „Umwelt und Klima“ thematisierte die zunehmende Dezentralisierung, „die Versorgung in den Stadtteilen bricht weg, man ist auf den ÖPNV oder das Auto angewiesen, wenn man zum Beispiel einkaufen will“, formulierte ein Teilnehmer.
Zusammenlegung der ÖPNV-Unternehmen?
Doch was bringt den Manager in Paris dazu, die Metro zu besteigen, während sein gleichgestellter Berufskollege in Essen aufs Auto setzt? Akzeptanz- und Imageprobleme besprachen die Teilnehmer und die „Psychologie“ des Verkehrs. Wie man den Gütertransport aus den Städten heraus hält - etwa mit Hilfe von Logistik-Zentren - und die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs erhöhen kann war Thema in anderen Arbeitsgruppen. „Eine Chance hat man nur, wenn es gelingt, verschiedene Formen von Mobilität - also das Auto, das Fahrrad und den ÖPNV - zu kombinieren.“ Klar und häufig betont wurde: Die Taktzeiten von Bussen und Bahnen müssten verringert werden, die Kosten gleichzeitig gesenkt. „Es gibt im Ruhrgebiet allein 16 ÖPNV-Unternehmen“, erklärte Professorin Maria Limbourg. Eine Zusammenlegung könne Synergiepotenziale fördern und darüber hinaus dazu beitragen auch städteübergreifend komfortablere Anbindungen zu schaffen.
Auf das Auto verzichten, dies betonten viele Teilnehmer, wollen sie nicht. Unabhängigkeit, Bequemlichkeit seien mit dem Pkw verknüpft. „Aber wenn ich mit Bus und Bahn problemlos ins Büro fahren könnte und dort keinen Parkplatz suchen müsste, wäre das für mich ein Gewinn und ich würde das Auto für diese Wege stehen lassen“, erklärte ein Teilnehmer.
Klingt banal – und ist doch ein Schlüsselsatz. Gelingt es nicht, den Fahrzeugdurchsatz in Essen und den angrenzenden Städten zu senken, droht der Kollaps. Aus Berlin ist, so legte jetzt die Bundesregierung in einem Sachstandsbericht vor, in den kommenden Jahren nicht mit Geld für den geplanten Bau der Millionenprojekte Ruhrallee-Tunnel und A52 im Essener Norden zu rechnen. Als Projekt gegen den A44-Tunnel gedacht, könnte die „Mobilitäts-Alternativen-Suche“ der Bürgerinitiative „Wege für Essen“ mit der Berliner Finanzklemme an Bedeutung gewinnen. Und auch Werner Rybarski gewinnt dem Umdenken Positives ab: „Es ist toll, dass hier mit den Stärken der Stadt gearbeitet wird – und das sind die Bürger.“