Essen. Die „Europameisterschaft im Bogensport“ wird in Essen auf Zollverein ausgerichtet. Was macht diesen Sport aus? Ein Selbstversuch.

Bogenschießen ist anders, als man denkt. „Dieser Sport wird nicht mit den Händen betrieben“, sagt Alfons Alberts (72), Geschäftsführer des Bogensportclubs Essen e.V (zurzeit 165 Mitglieder). „Sondern mit dem Rücken.“ Das muss er jetzt aber mal erklären.

Wir sind auf dem Schießgelände des Vereins irgendwo in einem Waldstück in Altenessen. Alberts, der vor rund 40 Jahren zum Bogenschießen kam, erteilt dem völlig unerfahrenen Reporter eine Lektion für Einsteiger. Die Scheibe aus grobem Stroh, auf die wir schießen, ist vielleicht zehn Meter entfernt. Gut so. Es wird also hoffentlich nicht ganz so peinlich werden. Unter Wettkampf-Bedingungen sind es 50 oder 70 Meter, je nachdem.

„Beim Bogenschießen geht es nicht um Action“, sagt Albert. Vergessen Sie, liebe Leserinnen und Leser, also bitte Robin Hood oder die Indianer in Filmen oder alle anderen Helden Ihrer Kindheit, die locker zu Pferde die Pfeile zischen ließen undihre Gegner kaltmachten.

Knapp 300 Bogensportler kommen Anfang Mai nach Essen zur Europameisterschaft.
Knapp 300 Bogensportler kommen Anfang Mai nach Essen zur Europameisterschaft. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die Wahrheit ist: Sie müssen sich in Haltung üben, immer wieder, und das geht schon mit dem Zeige- und Mittelfinger los. Im ersten Gelenk muss die Sehne in den Fingern sitzen. Die Sehne ist das Band, das man stramm spannt. Und dann ziehen Sie die Sehne nach hinten und – schon falsch. „Sie biegen Ihren Rücken nach hinten, Sie müssen gerade stehen“, sagt Alberts freundlich. Ach, und müssen die Füße und der gesamte Unterkörper nicht genau 90 Grad zur Schießrichtung stehen? Richtig! Und ich? Hänge windschief auf der Wiese. Ich sag‘ dem Fotografen, er soll jetzt gerade bitte keine Bilder machen.

Aufrecht stehen! Schultern hoch!

Wie war das jetzt mit dem Rücken? Die Kraft, die gespannte Sehne zu ziehen, darf man nicht aus der Hand holen, sondern ausschließlich aus dem Oberarm, sodass die gesamte Rückenmuskulatur angespannt wird. „Und ziehen Sie die Schultern mit hoch.“ Diesen Satz höre ich in 30 Minuten etwa 15 Mal. Schultern hoch! Aufrecht stehen! Und die Hand, die Sehne und Pfeil hält, muss am Ende unters Kinn! So hoch? Ja, so hoch. Und erst dann, wenn das alles stimmt, das Geschoss in Richtung Scheibe zielen. Und dann? Gespannt wie der sprichwörtliche Flitzebogen stehe ich da, beziehungsweise die Sehne ist gespannt, nach wenigen Sekunden verliere ich die Kraft, fange an zu zittern. Ich habe das Ganze zu lange unter Vollspannung gehalten, klassischer Anfängerfehler.

Erster Schuss: Nicht ganz schlecht, aber noch viel Luft nach oben

Das Loslassen ist dann leicht, Millisekunden später landet der Pfeil irgendwo im mittleren Bereich der Zielscheibe. Nicht ganz schlecht, aber an der Ausführung ist noch viel zu tun.

„Bogensport fördert die Konzentration und sorgt somit gleichzeitig für Entspannung und Ausgleich“, sagt auch Michael Bay, der Erste Vorsitzende des Essener Bogensportclubs. Tatsächlich kam er als Jugendlicher über Indianerfilme und -bücher zum Bogensport, blieb der Sache treu.

Es geht um Präzision, Körperbeherrschung, Genauigkeit

Wenn es also nicht um Action geht beim Bogenschießen, worum dann? Um Präzision und Genauigkeit; und ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz sollte man auch mitbringen. Einer meiner sechs Pfeile, die ich im Laufe meiner Übung abschieße, landet noch nicht mal in der Scheibe. Das kleinste Zielfeld in der Mitte, die „10“, ist gerade mal so groß wie eine CD. Treffen Sie die mal aus 70 Metern! Schießt man mit technisch anspruchsvollen Bögen, so genannten „Compound-Bögen“, ist die die kreisrunde „10“ noch kleiner, dafür der Abstand allerdings nur 50 Meter.

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Wer sich für diesen Sport interessiert, hat bald Gelegenheit dazu, echten Meistern bei der Arbeit zuzuschauen: 287 Athleten aus 38 Nationen werden ab Sonntag, 5. Mai, in Essen erwartet. Darunter auch einige Profis. Täglich ab 10 Uhr werden bis Freitag, 10. Mai, im Sportpark Am Hallo (Stoppenberg) die Qualifikationen ausgetragen. Der Eintritt ist frei. Am Wochenende (Samstag, 11. Mai, Sonntag, 12. Mai) werden dann die Finalkämpfe ausgetragen - auf Zollverein. Auf dem Parkplatz vor der Kohlenwäsche soll dafür extra ein Stadion aufgebaut werden, vielleicht 80 mal 20 Meter lang, und es soll Platz haben für rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Bei meiner ersten Übungsstunde versage ich zwar nicht auf voller Linie, aber so richtig gut war ich natürlich auch nicht. Doch nach 30 Minuten stelle ich fest: Man wird ruhig vom Bogenschießen. Keine Ahnung, wieso man sich nach voller Konzentration so erholt und nicht erschöpft fühlt. Alle Bogensportler in Essen freuen sich jedenfalls auf reichlich Publikums-Zuspruch, wenn die internationale Elite ab 5. Mai antritt.

Finals in der Bogensport-EM in Essen: Samstag, 11. Mai, und Sonntag, 12. Mai, jeweils ab 10 Uhr. Eintritt 15 Euro (Tagesticket, ermäßigt 12 Euro). Ticket für beide Tage: 25 Euro, ermäßigt 22 Euro.

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