Essen. Mit einem neuen Fahrzeug kann die Feuerwehr Essen Menschen schneller und sicherer aus zerstörter Infrastruktur retten. Wir waren mit auf Tour.
Der Notruf, der in der Leitstelle einging, lautete in etwa: „Verletzte Person im Schellenberger Wald.“ Was dann folgte, war eines der ersten Einsätze des neuen Spezialfahrzeuges der Feuerwehr Essen: „All terrain vehicle“ (ATV) . Seine Superkraft: Fahrten abseits von befestigten Wegen oder in zerstörter Infrastruktur. WAZ-Reporterin Iris Müller saß bei einer Testfahrt auf der Rückbank.
Das 500 Kilo schwere Fahrzeug ähnelt einem Quad in der Profiausführung: Mit sechs Sitzplätzen, Dreipunktgurten, Funkausrüstung, Heizung, Seilwinde und dickem Stahlrahmen: „Falls es sich überschlägt“, erklärt Feuerwehrmann Björn Rifaie. Und schon schaltet er das Blaulicht ein und biegt von dem befestigen Forstweg in den Wald ab. In diesem Fall allerdings in die Oefte in Kettwig.
Dort liegt die Übungsstrecke der Feuerwehrmannschaft für die beiden Spezialfahrzeuge, die seit rund fünf Monaten im Einsatz sind. Das nächste, was ich höre: „Jetzt ist es vorbei.“ Rifaie meint damit aber nicht das große Ganze, sondern er will sagen, dass Einsatzwagen der Feuerwehr hier nicht mehr herfahren könnten. Mit dem kleineren Spezialfahrzeug geht es jedoch gut.
Spezialfahrzeug der Essener Feuerwehr kommt bis auf 85 km/h
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Es rumpelt und pumpelt, der Weg wird schlammiger, dicke Äste liegen im Weg, der Motor dröhnt, das Fahrzeug schwankt und mir wird auf der Rückbank irgendwie leicht übel. Rifaie könnte mit 58 PS bis auf 85 km/h beschleunigen, allerdings nicht hier im Wald. Kurze Zeit später zeigt der Winkelgradmesser 25 Grad Neigung, zum Glück nur für kurze Zeit, denn ein Aufkleber auf der Frontscheibe signalisiert: Das ist das Limit. Weiter sollte das Fahrzeug nicht nach vorne kippen. Wir überwinden die Stelle in wenigen Sekunden und fahren durch einen Wasserlauf, es geht direkt links herum weiter bergauf den Waldweg entlang. Ich träume von einem gut gefederten SUV und bin sicher: Der Stahlrahmen muss gleich zeigen, was er kann.
Die Tour durch die Oefte macht deutlich, wozu das ATV im Ernstfall eingesetzt werden kann. Verletzte Fußgänger oder Mountainbikefahrer können damit schnell geborgen werden – mit einem Rettungswagen wäre diese Strecke nicht befahrbar. Die Ladefläche des ATV bietet Platz für Materialtransporte; Atemschutzmasken, Schläuche, Seile oder anderes (medizinisches) Equipment. Auf der Ladefläche können verschiedene Module angebracht werden. Eines davon ist eine sogenannte Rettungsplattform: eine Trage für den Patienten mit entsprechendem Begleitsitz für den Rettungssanitäter.
Spezialfahrzeug für Essener Feuerwehr große Arbeitserleichterung
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Die Ladefläche ist nicht überdacht und die Tour aus dem Wald heraus für den Verletzten unter Umständen nicht unbedingt schmerzfrei – „aber sicherer, schneller und angenehmer als zu Fuß“, sagt Rifaieder, der mit seinem Kollegen Frederic Wagner bei der Feuerwehr für Fahrzeuge und Gerätetechnik zustänig ist und ergänzt, dass das ATV für das Team der Feuerwehr eine große Arbeitserleichterung sei. Denn Orte, wo Rettungs- und Feuerwehrwagen nicht hinkommen, mussten bisher Feuerwehrleute zu Fuß erreichen – mit sämtlichem Equipment wie Patiententrage, Seile und im Fall von Waldbränden auch Schläuchen.
„Zum Teil konnten wir mit den Löschfahrzeugen zwar in den Wald hinein, dort aber nirgendwo wenden“, so Rifaie. Auch hier sei das ATV praktisch. Man könne Wege damit gut erkunden, der Wenderadius ist klein, die Reifen gut fürs Gelände. Teilweise müsse man die Patienten im Wald eine Weile suchen, den genauen Standort können sie oft nicht angeben. Auch dabei sei das ATV hilfreich. Feuerwehrleute und Rettungssanitäter, die dann im Auto sitzen und nicht zu Fuß gehen, sparen so eine Menge Zeit und Kraft.
Feuerwehrsprecher Christian Schmücker erinnert an den Pferdehof-Brand in Haarzopf vor wenigen Monaten: Die Feldwege waren zugeparkt mit Feuerwehrwagen, es fehlten aber weitere Atemschutzgeräte. Jedes weitere Löschfahrzeug wäre im schlammigen Feld abseits der Wege steckengeblieben, das ATV konnte das Material schnell nach vorne bringen. „Wir entdecken gerade ein riesiges Potenzial.“
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Bei einem Anschaffungspreis von 50- bis 60.000 Euro, letztlich bezahlt durch Steuergelder, macht es Sinn, die ATVs multifunktional einzusetzen. So werden Essener sie nicht nur im Wald sehen. Entlang der Ruhr gebe es laut Rifaie am Wasser diverse Einsatzszenarien, bei Bränden seien sie für den Materialtransport wichtig und Feuerwehrschläuche könnten mithilfe des kleinen Autos auch dorthin schnell verlegt werden, wo Feuerwehrwagen nicht mehr hinkommen. Frederic Wagner: „Bei den bisherigen Einsätzen hat sich das Spezialfahrzeug schon im breiten Spektrum bezahlt gemacht.“
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