Essen. Die Kripo Essen hat Bilanz für 2023 gezogen. Trotz alarmierender Trends: Jedes dritte Delikt war ein Diebstahl. Was sich dahinter verbirgt.
„Wir müssen über Ausländerkriminalität sprechen“, hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) vor zwei Wochen gefordert. Da waren gerade Zahlen auf seinem Tisch gelandet, die nicht „im Zahlendunst einer großen Pressekonferenz“ zur allgemeinen Kriminalstatistik untergehen sollten: Landesweit hatten von rund 485.000 mutmaßlich Kriminellen in 2023 etwa 169.000 keinen deutschen Pass - ausländerrechtliche Verstöße bereits herausgerechnet. Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg damit binnen Jahresfrist um zehn Prozent, was bedeutet: Jede dritte aufgeklärte Tat im Land wurde von Ausländern begangen, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Ende 2022 bei 15,6 Prozent lag.
Darüber haben wir gesprochen, mit dem Kripochef der Polizei für Essen und Mülheim bei der Vorstellung der Kriminalstatistik am Mittwoch. Carsten Berg kennt die Entwicklung, die vor Ort etwas weniger dramatisch ist: Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg in zwölf Monaten um etwas über zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 9949, während ihr Anteil an der Essener Gesamtbevölkerung um 0,8 Prozentpunkte zulegte. Das ist der höchste Stand seit fünf Jahren. Dabei waren die Ausländer - mit einer Einwohner-Quote von zuletzt 20 Prozent - überproportional unter den Straffälligen vertreten. 40,9 Prozent (2022: 38,7 %) aller Tatverdächtigen hatten keinen deutschen Pass. Von den Ermittelten ohne deutsche Staatsbürgerschaft hatten 436 ihren Sitz im Ausland.
Syrer führen die Statistik ausländischer Tatverdächtiger an
Einen ähnlichen Stand bei der Ausländerkriminalität gab es aber schon vor zehn Jahren, sagte Berg. 10.787 Tatverdächtige waren es 2016. Allerdings ist diese Zahl zuletzt auch gesunken und erreichte 2021 einen Tiefstand von 7073. Mehr als die Hälfte aller Straftaten, die die Polizei dieser Bevölkerungsgruppe im vergangenen Jahr zurechnete, waren Diebstähle (2333), danach folgten 1089 Delikte der Gewaltkriminalität und 388 Urkundenfälschungen, um die drei „Spitzenreiter“ zu nennen. Mit deutlichem Abstand führen die Syrer, die mit über 18.000 Menschen inzwischen die drittgrößte nichtdeutsche Gruppe in Essen bilden, die Statistik kriminell gewordener Ausländer an, gefolgt von knapp 25.000 Türken, rund 6000 Rumänen und 20.500 Polen, die in Essen leben.
Insgesamt hat die Polizei in Essen die höchste Zahl an Straftaten seit 2017 verfolgt. 2023 wurden 56.164 Delikte von der Kreispolizeibehörde Essen erfasst. Gegenüber dem Vorjahr sind das 6887 Fälle mehr,was einer Zunahme von knapp 14 Prozent entspricht. Wobei die Diebstähle, die beim Ladendiebstahl etwa um mehr als 50 Prozent stark zugelegt haben, rund ein Drittel des Gesamtaufkommens ausmachten. Diese Entwicklung führt die Essener Kripo auf ein „immer ausgeprägteres Wohlstandsgefälle“ und einen „höheren ökonomischen Druck“ in der Bevölkerung zurück.
3,4 Millionen Euro Schaden durch Fahrraddiebstähle
Dazu kommt der Befund: Noch nie sind laut der Statistik der Polizei Essen so viele Fahrräder gestohlen worden, wie im vergangenen Jahr: 2314 wurden geklaut. Das ist nahezu eine Verdoppelung zum Vorjahr. Meist professionelle Banden, die es vor allem auf Pedelecs abgesehen haben und ihre Beute mit Transportern ins Ausland verfrachten, hinterließen so einen Schaden von rund 3,4 Millionen.
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Die Aufklärungsquote über alle Straftaten gerechnet lag bei 50,1 Prozent (+0,8 %). Insgesamt wurden 25.164 Verdächtige ermittelt, das waren 2768 mehr als im Jahr zuvor. 13.643 Menschen wurden zu Opfern, was einen Anstieg um 5,4 Prozent bedeutete.
In 311 Fällen wurde ein Messer als Tatmittel eingesetzt. Das waren 35,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor (229 Fälle). Knapp 63 Prozent der Opfer blieben unverletzt. 238 Tatverdächtige konnten ermittelt werden, davon waren 43,3 Prozent nichtdeutsch. 36,4 Prozent der Straftaten, in denen ein Messer verwendet wurde, wurden auf Straßen, Wegen oder Plätzen begangen. Fast 40 Prozent davon endeten mit einer Körperverletzung.
Selbst Kinder tragen Messer bei sich
Die Gründe für diese alarmierende Entwicklung sieht Berg in einem „falsch geleiteten Sicherheitsbedürfnis“ nach dem Motto: Der hat ein Messer in der Tasche, dann brauche ich auch eins. Dass diese Waffen „das falsche Mittel“ sind, ein „Tatmittel aus dem arabischen Raum, das sich bei uns etabliert hat“, will die Polizei dem Nachwuchs mit Unterstützung von Schulen gezielter vermitteln. Präventive Konzepte seien in Arbeit - und tun not: „Denn selbst Kinder sind schon Messerträger“. Sie sind noch keine 14 Jahre alt und werden immer häufiger auffällig. Tendenz steigend auch bei der Kinder- und Jugendkriminalität insgesamt. Die Täter werden jünger und immer häufiger kommen Mädchen mit dem Gesetz in Konflikt.
Neben einer weiter zunehmenden Jugenddelinquenz machen Berg aber auch einige andere Entwicklungen Sorge. Es wurden 218 Wohnungseinbrüche mehr in Essen angezeigt als in 2022, was einem Plus von 24,2 Prozent entspricht. Die Straßenkriminalität hat um 18,1 Prozent zugelegt, die Gewaltkriminalität in Essen ist im Berichtsjahr um 5,5 Prozent gestiegen. 1668 Taten davon wurden aufgeklärt, was einer Quote von 71,6 Prozent entspricht. Fast 70 Prozent galten als gefährliche Körperverletzung, in 24 Fällen wurde wegen Mordes und Totschlags ermittelt, 18 dieser Taten blieben unvollendet. 2025 mutmaßliche Gewalttäter konnten ermittelt werden, von denen mehr als 30 Prozent jünger als 21 Jahre und 42,9 Prozent Nichtdeutsche waren. Fast die Hälfte der Opfer kannten ihre Peiniger.
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