Essen. Mehr Geld, mehr Personal, mehr Befugnisse: Das Bistum Essen wertet den Betroffenenbeirat auf und erleichtert Akteneinsicht und Antragstellungen.

Das Bistum Essen hat weitere Finanzmittel und neues Personal bereitgestellt, um die Aufklärung über Fälle sexualisierter Gewalt und die Prävention zu intensivieren. Unterstützt wird vor allem der Betroffenenbeirat. Man habe zu danken, „dass sich Menschen, denen Vertreter unserer Kirche großes Leid angetan haben, heute so intensiv engagieren, damit anderen Betroffenen geholfen und sexualisierte Gewalt in Zukunft möglichst verhindert werden kann“ erklärte Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen.

Bereits im vergangenen Herbst hatte sich Bischof Franz-Josef Overbeck mit dem Betroffenenbeirat über die künftige Zusammenarbeit verständigt. Dazu gehörte auch die Verpflichtung einer besseren finanziellen Ausstattung. Unter anderem wird das Bistum die Arbeit des Beirats mit einem jährlichen Budget von rund 90.000 Euro finanzieren und den Mitgliedern des Beirats Aufwandsentschädigungen zukommen zu lassen.

Hauptamtliche Kraft ist persönlich ansprechbar für Betroffene

Zudem unterstütze eine hauptberufliche Kraft die Arbeit des Gremiums. Claudia Marcinek, Referentin für Betroffenenarbeit, werde außerdem persönlich ansprechbar sein für Menschen, die von sexualisierter Gewalt im Bistum Essen betroffen waren oder sind. „Insbesondere bei Fragen zu den vielfältigen Hilfen und Unterstützungsangeboten, die es mittlerweile in diesem Bereich gibt, will ich eine Art Lotsin sein, die bei Bedarf mit den Betroffenen das individuell passende Angebot findet“, so Marcinek.

Nach Klärung der Strukturfragen könne sich der Betroffenenbeirat nun ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. Insbesondere mit Blick auf die Arbeit des gerade erst erweiterten Stabsbereichs Prävention, Intervention und Aufarbeitung im Bistum solle der Beirat alle relevanten Veränderungen im Bistum Essen kritisch begleiten. Voraussichtlich Ende 2024 werde der Betroffenenbeirat dann alle Betroffenen im Bistum Essen zur turnusgemäßen Neuwahl des Gremiums einladen. Die Vorbereitungen dazu würden von einem unabhängigen Notar begleitet.

Die mit unabhängigen Mitgliedern besetzte Aufarbeitungskommission des Bistums Essen soll eng mit dem Betroffenenbeirat zusammenarbeiten. 
Die mit unabhängigen Mitgliedern besetzte Aufarbeitungskommission des Bistums Essen soll eng mit dem Betroffenenbeirat zusammenarbeiten. 

„Natürlich ist uns auch bewusst, dass wir das Leid, das Betroffene im Raum der Kirche erlitten haben, nicht wieder gut machen können“, gesteht Pfeffer ein. Er wisse auch, dass viele Betroffene unzufrieden sind mit den Anerkennungszahlungen. Angesichts der großen Zahl und mancher Schwächen des Verfahrens zur Beantragung von Anerkennungsleistungen, auf das sich die Bischöfe bundesweit verständigt hatten, komme es in einzelnen Fällen zu Verzögerungen und Fehlern. „Von unserer Seite tun wir alles, um die Schwachpunkte auszubessern“, so der Generalvikar. Deshalb seien die Abläufe in der Bistumsverwaltung verbessert worden – verbunden mit Personalaufstockungen.

Betroffene können bei Anträgen anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen

Um Betroffenen bei Antragsfragen eine zusätzliche Hilfe zu ermöglichen, hat das Bistum eine Regelung erlassen, hierbei anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Wir wissen, dass manchmal schon die Antragstellung aber insbesondere die weiteren Verfahrensschritte für manche Betroffene eine große Herausforderung und Belastung darstellen“, so der Justitiar des Bistums, Claus Zielinski.

In den nächsten Wochen werde darüber hinaus eine Regelung in Kraft gesetzt, die finanzielle Unterstützung bei Therapien, Kuren- und Reha-Maßnahmen sowie psychosozialen Leistungen ermöglichen wird. Pro Person könnten unter bestimmten Voraussetzugen bis zu 15.000 Euro erstattet werden. Derzeit liefen die letzten Klärungen, damit das Regelwerk dann bald in Kraft gesetzt werden kann. Für diese Leistungen stelle das Bistum allein für das Jahr 2024 ingesamt 100.000 Euro zur Verfügung.

Akteneinsicht wird erleichtert - auch in sensiblen Fällen

Das Bistum Essen ermöglicht zudem ab sofort die Einsicht in Aktenbestände zu Missbrauchsfällen. Bei der Regelung des Zugangs will man eine gewisse Kontrolle behalten: „Wir prüfen in einem ersten Schritt, ob uns die Personen, die einen Antrag auf Akteneinsicht stellen, als Betroffene bekannt sind“, so Bistumssprecher Thomas Rünker. „Wenn dem so ist, können Sie Akteneinsicht bekommen. Wenn sie uns nicht als Betroffene bekannt sind, durchlaufen sie zunächst das Verfahren nach der Interventionsordnung.“

Neben Betroffenen stehe die Akteneinsicht unter anderem den Aufarbeitungskommissionen der katholischen Bistümer sowie Hochschulen und Rechtsanwaltskanzleien zur Verfügung, wenn sie mit der Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs beauftragt wurden, heißt es in einer Mitteilung. Die Akteneinsicht werde durch Mitarbeiter des Bistums organisiert und betreut. Zur Verfügung gestellt werde in der Regel eine originalgetreue Kopie, in der allenfalls Hinweise auf weitere Personen – zum Beispiel weitere Betroffene – aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes unkenntlich gemacht worden sind.

„Geheimakten“ zum Missbrauchsthema sind nicht mehr geheim, so das Bistum

Personalakten genießen aus juristischen Gründen besonderen Schutz. Das Bistum sei aber bemüht, die Akteneinsicht zu vereinfachen. So seien mittlerweile Teile der Personalakten, die Fälle von sexualisierter Gewalt betreffen, in die so genannten Sachakten übernommen worden. „Damit sind diese, früher auch als ,Geheimakten‘ bezeichneten Bestände nun ebenfalls insbesondere auch für Betroffene grundsätzlich einsehbar“, bekräftigt das Bistum. Alle Kosten für Akteneinsichten oder -auskünfte im Zusammenhang mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt trage das Bistum Essen. Weitere Informationen zum Themenkomplex gibt es online unter missbrauch.bistum-essen.de

Unter der Internet-Adresse aufarbeitung.bistum-essen.de sind die zentralen Ergebnisse einer Studie des Münchener Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) sowie das komplette Dokument abrufbar. Die Studie, die vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, listet Fälle sexualisierter Gewalt in den Pfarreien des Bistums Essen auf, liefert detaillierte Fallanalysen und Missbrauchsstrukturen und spricht Empfehlungen für die Prävention aus.

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