Essen. Mit scharfer Kritik haben die Ukrainer in Essen auf Äußerungen des Papstes reagiert. Der hatte der Ukraine geraten, mit Russland zu verhandeln.
Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus, die Ukraine müsse Mut für Friedensverhandlungen mit Russland aufbringen, sind weltweit auf teils heftige Kritik gestoßen – und haben die ukrainische Gemeinschaft in Essen tief bestürzt.
Wie Thomas Schiemann am Montag (11. März) im Namen von „Opora“ und „Odessa wir helfen“ mitteilt, herrsche bei den ukrainisch-deutschen Vereinen „schieres Entsetzen“ über die Aussagen aus einem am Wochenende veröffentlichten Interview mit Franziskus. „Dass der Papst anregt, die Ukraine solle ,die weiße Fahne‘ hissen, da sie besiegt sei, ist völlig inakzeptabel“, sagt Schiemann. Die beiden Essener Vereine wiesen diese Forderung scharf zurück.
Essens CDU-Chef übt scharfe Kritik an den Äußerungen des Papstes
Bestätigt fühlt sich Schiemann durch die Reaktion des Essener CDU-Chefs Matthias Hauer, der auf der Nachrichtenplattform X schrieb: „Der Papst rät also der Ukraine zu einer Existenz unter russischer Diktatur.“ Der Bundestagsabgeordnete erklärte weiter: „Ich schäme mich als katholischer Christ einmal mehr für das Versagen, der römisch-katholischen Kirche an zentraler Stelle.“
An der Basis erlebt man laut Schiemann eine andere Kirche: So hätten zahllose deutsche Katholiken und viele Pfarreien, auch in Essen, die ukrainischen Flüchtlinge hierzulande seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 unterstützt und sich an Hilfstransporten in das Land beteiligt. „Dafür sind wir sehr dankbar.“ Diese Dankbarkeit ändere aber nichts an der Irritation über die Papst-Äußerungen.
Ukrainische Vereine: Aufforderung geht an die falsche Adresse
„Die Ukraine greift niemanden an. Sie verteidigt sich und wird das weiter tun“, betonen die ukrainisch-deutschen Vereine. „Die Äußerungen des Papstes gehen eindeutig an die falsche Adresse.“ Papst-Sprecher Matteo Bruni hatte sich nach Franziskus‘ Äußerungen um Schadensbegrenzung bemüht und erklärt, der Papst habe die Ukraine in dem Interview nicht zur Kapitulation aufgefordert. Er habe „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen.
„Die halbherzigen Interpretationsversuche aus Rom ändern an der Aussage des Papstes rein gar nichts“, sagt Schiemann dazu. Tatsächlich war das Bild von der „weißen Fahne“ ganz überwiegend als Aufforderung an die Ukraine zur Aufgabe verstanden worden. Zumal Franziskus auch sagte: „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Die Vereine „Opora“ und „Odessa wir helfen“ erklären dazu, die Ukraine sei nicht besiegt, „wenngleich der Verlauf des Krieges derzeit schwierig ist“.
Bis heute vermisse man vom Vatikan eine klare Verurteilung des russischen Angriffskrieges und der „Kriegshetze des Oberhauptes der Russisch-Orthodoxen Kirche“. Auch habe Rom versäumt, „Russland aufzufordern, seine täglichen fürchterlichen Angriffe auf Zivilisten zu beenden“. Diese Versäumnisse und die aktuellen Äußerungen des Papstes seien sehr schmerzhaft für alle ukrainischen Menschen. „Das ändert aber nichts am Überlebenswillen des ukrainischen Volkes.“
Essener fragt sich, ob er noch in der katholischen Kirche bleiben kann
Thomas Schiemann ergänzte, dass er die katholische Kirche trotz vieler Skandale nicht verlassen habe, oft nicht leichten Herzens. „Nun muss ich mich fragen, ob ich in einer Kirche bleiben will, die so offensichtlich den Aggressor nicht verurteilt.“
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